
Ach ja, früher. Bei diesem Wort steigt unweigerlich Nostalgie in den Menschen hoch, um in der Selbstverklärung der Jugendjahre zu versinken. Früher war alles besser. Die Freundschaften zum Beispiel, die nicht per se auf ein Handy angewiesen waren, oder das Fernsehen, voller mit Liebe gezeichneter Figuren und solider Abendunterhaltung für die ganze Familie. Ja, früher war das Fernsehen ganz sicher besser. Oder? Nein, sagt Guido Cantz, der sich im Haus der Springmaus mit genau diesem Thema beschäftigt. Dafür war es weniger. Was nicht grundsätzlich schlecht war.
Eigentlich will Guido Cantz in „Das volle Programm“ gar nicht mit Wehmut auf jene Zeit zurückblicken, die ihn geprägt hat, also vor allem auf die 1970er Jahre. Die Vielfalt der Programme bietet immerhin mitunter auch Vorteile, und Cantz ist als Komiker, Moderator und Fernseh-Junkie lange genug im Geschäft, um diese zu kennen. Wie sonst kann man schließlich an mehreren Orten gleichzeitig sein, als Moderator auf dem einen Sender, als Ratefuchs auf dem anderen und als Talkshow-Gast im Dritten – eine Technik, die Karl Lauterbach perfektioniert hat. Und wenn einem das nicht gefällt, kann man umschalten oder dank der verschiedenen Mediatheken und Streaming-Dienste jederzeit das schauen, was einen gerade interessiert. Es sei denn, man ist Guido Cantz und sieht sich gezwungen, jeden Mist anzuschauen, um dann in der Tradition von Michael Mittermeier und Oliver Kalkofe diesen Bodensatz der Unterhaltung zu kommentieren und zu karikieren. „Promis unter Palmen“, „Das Sommerhaus der Stars“, „Naked Attraction“ – darüber könnte sich Cantz den ganzen Abend lang echauffieren. „Früher waren Stars Menschen, die man kannte, weil sie etwas besonders gut konnten“, sagt er. „Heutzutage können die gar nichts und verdienen damit auch noch Geld!“

Ja, „früher“. Schon ist die Nostalgie wieder da, zumal Cantz in der ersten Hälfte seines Programms an die schönen Erlebnisse zurückdenkt, an den „Großen Preis“, an die Helden der Kindheit (darunter der Pumuckel, Michel aus Lönneberga und Pippi Langstrumpf) – und an einige Anekdoten aus dem Backstage-Bereich, die ebenso skurril wie einzigartig sind und die den Abend in der Springmaus zu etwas Besonderem machen. Herrlich etwa die Geschichte mit der nassen Hose nur Minuten vor Cantz’ erster „Verstehen Sie Spaß“-Sendung als Moderator, in der am Ende der Produktionsleiter auf Knien mit einem Fön den Lendenbereich zu trocknen versuchte. Großartig auch, wie Cantz einmal das Ende von „Immer wieder Sonntags“ moderieren musste, weil der eigentliche Moderator sich bei einer Currywurst-Challenge übernommen hatte – Cantz selbst hielt dies übrigens zunächst für einen Scherz von „Verstehen Sie Spaß“, ebenso wie Sänger Peter Krauss, der als letzter bei der Sendung auftrat. Das kommt an und ist vor allem weit weg von der Altherren-Comedy, die der 53-Jährige ansonsten pflegt. Dazwischen setzt Cantz geschickt und ohne es zu übertreiben einige Pointen, die mitunter gar politischer Natur sind, singt mit dem Publikum das Biene-Maja-Lied und sorgt für einen kurzweiligen, unterhaltsamen und vor allem analogen Abend.
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