Schlechte Laune? Nicht mit Gregor Meyle. Gut, der Singer-Songwriter ist selbst mitunter etwas melancholisch, aber im Grunde sieht er sich doch als ewigen Optimisten, als Träumer mit Hoffnung im Herzen und mit Zuneigung für sein Publikum, das er mit seinen oft kitschigen, aber ernst gemeinten Songs zumindest für ein paar Stunden aus dem Alltag herausholen will. Ein Dienst mit einem nicht unerheblichen Wert, wenn man an die gegenwärtige Situation im Nahen Osten, im Wilden Westen und überall dazwischen denkt. Aber solche pessimistischen Gedanken haben bei Gregor Meyle wie gesagt keinen Platz. In der Bonner Oper hat er nun seine oft blumigen Pop-Schlager dazu genutzt, um den nahezu ausverkauften Saal in einen „Ort voll Frieden und Liebe“ zu verwandeln – was dank seines authentischen Auftretens, einer starken siebenköpfigen Band im Rücken und fabelhafter Arrangements besser gelingt als gedacht.
Die starke Dynamik und die Spielfreude der Musiker kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass Meyle sowohl melodisch als auch textlich mitunter in ganz seichten Gewässern fischt: Da geht es „Hand in Hand im Märchenland“ hin zum „warmen Sand am Südseestrand“ („Das nennt man Glück“); dann wieder will er nach einer schmerzhaften Trennung „nie wieder mein Herz riskier’n“ und gleichzeitig „nie wieder so einsam sein“ („Keine ist wie du“). Schmalziger kann man einer Verflossenen kaum hinterhertrauern. Genüsslich stürzt sich Meyle in die ultimativen Gefühlsduseleien, in denen poetische Bilder keine Tiefe haben, sondern nur als Floskeln bestehen. Doch die kommen an, wie die Reaktionen des Publikums beweisen. Gut, viele der Besucherinnen und Besucher scheinen langjährige Fans zu sein, wie die Textsicherheit bei diversen Mitsing-Parts beweist und die leuchtenden Augen bei der „Gute-Laune-Mucke“, wie Meyle seine Musik nennt, doch zusätzlich dürfte das Engagement der fünf Instrumentalisten und der beiden Background-Sängerinnen zu der Begeisterung beitragen, die den Saal erfüllt. Und das zu recht: Vor allem Drummer Massimo Buonanno und Geiger Christian Herzberger setzen ein ums andere Mal souverän Akzente und retten so manche Titel vor der Beliebigkeit. Stark etwa „Einer der Besten“, eine der wenigen durchgroovenden Nummern des Abends – selbst Gregor Meyle muss eingestehen, dass er und seine Band gar nicht so viele tanzbare Stücke im Repertoire haben, da kann er noch so sehr darauf hinweisen, dass die Menschen sich zu wenig bewegen. Bei besagter Nummer greift die musikalische Thrombose-Prophylaxe aber. Die Menge steht sekundenschnell, genießt den Austausch mit den Künstlerinnen und Künstlern auf der Bühne und singt denn auch genüsslich mit, als Meyle sie darum bittet. Vierstimmig. Muss man auch erst einmal hinbekommen, wirkt aber in der Oper umso eindrucksvoller. Doch schon ist der Schwung wieder passé, während Meyle das Publikum augenzwinkernd mit einem knappen „Setzen“ wieder auf seine Plätze verweist. Jetzt kommen wieder Balladen. Und Liebeslieder. Und noch mehr Balladen.
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Immerhin: Die zweite Hälfte des Programms erweist sich als weitaus abwechslungsreicher als die erste. Bei „Kommt eins zum anderen“ darf Gitarrist Markus Vollmer auch mal zum Mikro greifen, bei „Weck mich niemals auf“ dagegen zum Banjo. Das der verstorbenen Hippie-Mama gewidmete „Die Tapfere“ singt Gregor Meyle dagegen schön reduziert, was nicht nur aus dem Rahmen fällt, sondern dadurch auch eine zusätzliche Intensität erhält. Und am Ende von „Hier spricht dein Herz“ bittet er um ein paar Schweige-Sekunden für all jene, denen es gerade nicht so gut geht auf dieser Welt. Es ist die ehrlichste, authentischste, berührendste von mehreren Gesten der Demut, eine, in der Meyle sich nicht künstlich klein macht, um einen Gegenpol zu haben zu diversen Anekdoten aus seiner Bühnenkarriere: So erzählt er, wie er im Backstage-Bereich von Stefan Raab mit Adele Schinken-Käse-Sandwichs verputzt hat oder vor Robbie Williams sang, berichtet von seinen Zeiten als Drache bei „The Masked Singer“ und kurz darauf von seiner Jugend ohne Fernseher, dafür aber mit ganz viel Musik von Mutters Plattenspieler. Hat ihm nicht geschadet, will er damit sagen, und das Publikum kann dies nur bestätigen. Zum Glück. Denn dadurch lässt sich so manche verklärte Zeile verzeihen, die Gregor Meyle im Zweifel schlichtweg ernst meint, auch wenn sie so überzeichnet klingt. Rund zweieinhalb Stunden vergehen so wie im Flug, und immerhin: Die Welt da draußen, die hat man irgendwann vergessen. Dieses hehre Ziel hat Gregor Meyle also auf jeden Fall erreicht.
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