Theater gab es schon immer. Es ist Bild gewordene Narration, eine Erzählung für alle Sinne, die bewegen kann, berühren und unterhalten. Nun hat sich Kabarettist Robert Griess, Erfinder und Nukleus der alljährlichen „Schlachtplatte“, auf die Fahnen geschrieben, 3000 Jahre Theatergeschichte in einem Abend zu vereinen und gleichzeitig aktuelle Themen zu verhandeln. Was noch nicht einmal schlaglichtartig funktionieren kann, auch nicht mit einem fünfköpfigen Ensemble (ergänzt um zwei Musiker) – wer konsequent auf eine Pointe hinarbeitet, kann nun einmal nicht die gesamte Bandbreite des Theaters abbilden. Was jetzt nicht heißen muss, dass das „Schlachtfest“ von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Es ist, wie ein Auftritt im Haus der Springmaus zeigt“ nur anders als erhofft. Und weitgehend so wie erwartet.
Im Grunde folgt Griess immer dem gleichen Konzept: In Gruppensketchen werden verschiedene Themenkomplexe entweder bissig kommentierend (und mitunter ein bisschen belehrend) durchexerziert oder
durch verschiedene polarisierende Gruppierungen verbildlicht, gerne unter Einbeziehung von chorisch gesprochenen Parolen. Insofern wäre es schön gewesen, wenn nun in der Auseinandersetzung mit
verschiedenen Formen des Theaters neue Ansätze zu entdecken, zumal die Versprechungen im Vorfeld gut klangen. Von Homer bis Heiner Müller, von Shakespeare bis Schlingensief, vom altgriechischen
Chor bis zur interaktiven Video-Show im Stil von Frank Castorf sollte alles dabei sein, und tatsächlich ist jeder Name und jeder Begriff mindestens einmal gefallen – nur nicht immer
konsequent umgesetzt. Die meisten Formen bleiben ohne Funktion, sind nur leere Hüllen ohne Kontur, die den gewohnten satirischen Beiträgen kurzerhand übergestülpt werden und oft genug nicht
wirklich passen. Da wird Avantgarde als Mitmach-Moment deklariert und das Publikum aufgerufen, gegen das reichste eine Prozent im Saal Sturm zu laufen, französisches Dokumentartheater und
Commedia dell’Arte zusammengefasst als banaler Raketenvergleich zwischen Jeff Bezos, Richard Franson und Elon Musk und Becketts absurdes Drama „Warten auf Godot“ in ein Flüchtlingsdrama
übersetzt, das spätestens mit dem Auftauchen der Geissens (anstelle von Pozzo und Lucky) völlig der Lächerlichkeit preisgegeben wird.
andererseits finden sich in diesem Wust aus Sketchen auch ein paar Perlen, vor allem dann, wenn auf aufgepropfte Stile verzichtet wird und die Künstlerinnen und Künstler einfach mal Klartext
reden dürfen. Stark etwa Gilly Alfeo, der seit zwei Jahrzehnten Mitglied des Springmaus-Improvisationstheaters ist, und als beinharter Triple-A-Consultant eine herrlich dunkle Seite zeigt, die er
hervorragend herausarbeitet. Noch besser ist Karina Syndicus als Rotpeter (der Affe aus Kafkas „Ein Bericht für eine Akademie“): Endlich schraubt sie mal die übertriebenen Grimassen und Gesten
zurück und überzeugt mit einem klugen und Kafka durchaus gerecht werdenden Text über das Verhältnis von Humanismus und Kapitalismus. Vicki Blau erklärt derweil als einfältige Influencerin eine
analoge Text-App mit dem Namen „Buch“, und „Pink Punk Pantheon“-Ensemblemitglied Hagen Range darf als Winnetou mit einer als Spiderman verkleideten Catwoman im Körper eines mittelalten weißen
Mannes über kulturelle Aneignung sprechen, was herrlich skurril ist und gleichzeitig einige wichtige Punkte anspricht. Das alles ist auch Theater, teilweise sogar richtig gutes Theater, und zwar
ganz ohne aristotelische Dramentheorie oder Gattungsbestimmung, ohne Rückgriff auf große Regisseur oder auf noch größere Literaten. Manchmal reicht das aus.
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