Weiterentwicklung statt Wiederholung: Auf diese scheinbar einfache Formel hat Keith Emerson einst den Progressive Rock heruntergebrochen und ihn damit den bewusst eingängigen Pop-Songs entgegengestellt. Dabei muss sich beides nicht ausschließen. Die französische Band Lazuli verbindet zum Beispiel beides seit über 25 Jahren, vereint dichte Gitarren-Riffs und Keyboards-Sounds sowie ausgedehnte Instrumental-Passagen mit komplexer Harmonik und Melodik mit stringenten, lyrischen Texten und sorgt damit ein ums andere Mal für Begeisterung. Nun ist das Quintett um die Brüder Claude und Dominique Leonetti im Rahmen ihrer „Onze“-Tour in die Harmonie gekommen – und verspricht den Fans bereits ein neues Album im kommenden Jahr.
Die Musik von Lazuli ist voluminös, nicht nur wegen der Doppel-Gitarren und dem obligatorischen Synthesizer, sondern auch wegen der ikonischen Léode, die Claude Leonetti erfand, nachdem er durch einen Motorradunfall seinen linken Arm nicht länger benutzen kann. Das Instrument ist im Grunde eine Variante des Chapman Sticks, das anstelle von Saiten vier Midi-Kanäle nutzt. Diese kann Claude wie bei einem E-Bass ansteuern und unter anderem Glissandi spielen, die in dieser Art und Weise selbst die besten Tastenvirtuosen vor Herausforderungen stellen würde. Das sorgt für einen einzigartigen Klang, über den sich dann der charmante, lyrische Gesang von Dominique legt. Dieser ist ein leidenschaftlicher Geschichtenerzähler, in gewisser Weise gar ein Chansonnier, mit einer an Metaphern reichen Sprache, die man gar nicht verstehen muss, um von ihr berührt zu werden. Mal geht es um das Verständnis von Kunst, um Lieder, die als Flaschenpost im Meer herumtreiben, dann wieder um Träume oder – in Anspielung an Hamlet – um Sein oder nicht mehr Sein. Und einmal wird es sogar, so behauptet zumindest Dominique, autobiografisch: Da erzählt er die Geschichte eines Jungen, der im Superheldenkostüm in die Schule kommt, um Karneval zu feiern und dann merkt, dass er sich im Tag vertan hat. Absurd? Vielleicht. Witzig? Rückblickend ja. Und doch gelingt es Lazuli, daraus eine Complainte zu machen, ein Klagelied für einen Jungen, der hoch hinaus möchte und doch nur ausgelacht wird.
Neben ein paar Klassikern sowie diversen Titeln des aktuellen Albums „11“ spielen Lazuli an diesem Abend auch drei Songs, „die es noch gar nicht gibt“, wie Dominique betont. So wie bei „Zurück in die Zukunft“. Sie alle sollen auf dem für 2025 geplanten, bislang namenlosen Album sein und fügen sich nahtlos in das bereits vorhandene Repertoire ein. Wieder darf Vincent Barnavol in Rhythmen schwelgen, Gitarrist Arnaud Beyney an der Seite von Dominique über die Saiten jagen und Keyboarder Romain Thorel zum Waldhorn greifen. Klingt gut. Gerne mehr davon.
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