Eine Diva lässt gerne auf sich warten. Das steigert die Vorfreude auf die Begegnung, zumindest so lange man überhaupt erscheint. Mit dem richtigen Zeitmaß hat Lauryn Hill in der Vergangenheit durchaus mal ihre Probleme gehabt, in der Kölner Lanxess Arena lässt sie das Publikum aber nur rund 20 Minuten ausharren, bevor sie in eine monströse Kunstleder-Pelzjacke gekleidet loslegt und zeigt, dass die einstige R&B-Queen aller Eitelkeiten und Attitüden zum Trotz noch immer hervorragend zu rappen versteht. Anlässlich des 25. Geburtstags ihres ersten und einzigen Solo-Albums „The Miseducation Of Lauryn Hill“ (1998), mit dem sie zu einer der bedeutendsten Hip-Hop- und R&B-Künstlerinnen zählt, hält sie nun Rückschau, erinnert an ihre Karriere, an die Fugees – und an viele, die vor ihr da waren.
Musikalische Vorbilder hat Lauryn Hill tatsächlich viele. Aretha Franklin, Marvin Gaye, Nina Simone und viele andere, die sie in den 90ern in sich aufgenommen und zu etwas Neuem verwandelt hat,
zu ihrer Art von R&B und Hip Hop, zu dem Sound der Fugees und zu ihrem eigenen melodischen Rap. Längst ist sie selbst eine Inspirationsquelle, wie unter anderem Beyoncé, Jay-Z, Missy Elliott
und Nicki Minaj in der Vergangenheit betont haben. Im Grunde hat sie sich ihre Position als Diva also verdient. Und sie macht keinen Hehl daraus, dass sie sich und dann ihre Söhne vor alles
andere stellt. Nicht ohne Grund steht sie auf den Plakaten an erster Stelle, deutlich abgetrennt von den Fugees, die ohnehin nur noch auf dem Papier existieren, spätestens seit Pras Michel seine
ehemalige Band-Kollegin vor ein paar Wochen wegen Betrugs und Vertragsbruchs verklagt hat – sie soll bei der abgesagten Tour in 2023 Missmanagement betrieben haben, so die Vorwürfe des Rappers,
der selbst im vergangenen Jahr wegen Wahlbeeinflussung und Veruntreuung in zehn Fällen vor Gericht für schuldig befunden wurde. In der Lanxess Arena sind die Fugees somit auf Lauryn Hill und
Wyclef Jean reduziert, was aber eigentlich auch ausreicht. Insbesondere letzterer bringt eine unglaubliche Energie mit auf die Bühne, mit der er wirklich alle von den Sitzen fegt und ein wenig
Geradlinigkeit in die mitunter doch recht erratische Musik der Band im Hintergrund bringt.
Zuvor hat Lauryn Hill allerdings versucht, noch ein anderes Erbe in ihren Bannkreis zu holen: Das von Bob Marley. Der ewige Reggae-König hat so wie sie die Musikwelt verändert, und dank ihrer
langjährigen Beziehung zu dessen Sohn Rohan ist ihr Name eng mit dem seinen verbunden. Indem sie zwei ihrer Söhne, Zion und YG Marley, auf die Bühne holt, gewinnt sie gleich doppelt, zumal beide
das Rampenlicht durchaus verdient haben. Vor allem YG, der sich stadttypisch einen FC-Schal um den Hals geworfen hat, erweist sich trotz der Anfeuerungsrufe von Über-Mutter Lauryn Hill als
überaus souveräner Künstler, der mit „Freedom“ und „Praise Jah In The Moonlight“ zwei starke Nummern präsentiert. Die Messlatte liegt zu diesem Zeitpunkt allerdings auch nicht hoch, da die Band
und ihre Tontechniker bis dahin einfach keinen schönen Sound hinbekommen haben, obwohl Lauryn Hill mit permanenten Gesten in Richtung Mischpult nachzujustieren versucht. Schade, zumal davon
Klassiker wie „Final Hour“ und „Ex Factor“ betroffen waren, die ineinander übergingen und keine Gelegenheit boten, einmal Luft zu schnappen und neu anzusetzen. Das gelingt erst bei den Auftritten
der beiden Marleys. Als dann nach einer guten Stunde endlich auch Wyclef Jean auf der Bühne erscheint, kann die Party so richtig losgehen, sehr zur Freude des Publikums, das mit den Super-Hits
„No Woman No Cry“ und „Killing Me Softly“ am Ende ein versöhnliches Ende beschert bekommt.
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