Wildes Holz: Blockflöten-Rock aus fünf Jahrhunderten

Kein Bock auf Block? Nach einem Konzert von Wildes Holz mag mancher das anders sehen. Seit einem Vierteljahrhundert beweist das Trio um Deutschlands ersten diplomierten Jazz-Blockflötisten Tobias Reisige, dass das aus frühen Musikschulaufführungen gefürchtete Instrument weitaus besser und vielseitiger ist als sein Ruf. Man muss es halt nur spielen können. Dann nämlich gibt es kaum ein Genre, das eine Blockflöte nicht zu bereichern vermag. Von Barock bis Metal, von Jazz bis hin zu elektronischer Musik ist alles möglich. Und Wildes Holz wissen, wie das geht. Im Rahmen ihrer Jubiläumstour sind die Drei nun auch wieder ins nahezu ausverkaufte Haus der Springmaus gekommen, das längst eine ihrer Stammspielstätten ist. Zu Recht.

Besagtes Jubiläum gilt es allerdings zunächst einmal zu korrigieren: Streng genommen existieren Wildes Holz inzwischen schon seit 27 Jahren, gegründet 1998 von Reisige, Bassist Markus Conrads und dem 2018 unerwartet verstorbenen Gitarristen Anton Karaula. Die letztgenannte Position hat inzwischen Johannes Behr übernommen, der in der Springmaus einmal mehr mit differenziertem Spiel zu überzeugen versteht. Gleiches lässt sich über Conrads sagen, der den Kontrabass auch mal gegen den „Sopranbass“ (seine Mandoline) tauscht und mit diesem unter anderem ein ebenso virtuoses wie augenzwinkerndes italienisches Medley spielt, bei dem Luigi Boccherini auf Al Bano und Romina Power trifft. Und dann wäre da noch Reisige, der ohnehin über jeden Zweifel erhaben ist. Was er mit seinen zahlreichen Instrumenten von der Piccolo- bis zur Subgroßbass-Flöte macht, ist schlichtweg atemberaubend. Grandiose Ideen und eine makellose Technik kommen hier zusammen, sowohl bei den herausfordernden Eigenkompositionen als auch bei den vielseitigen „Rock-Variationen im Holzgewand“, wie Reisige es treffend formuliert.

 

Beides kommt beim Publikum hervorragend an, auch wenn die eigenwilligen Cover noch ein bisschen mehr Begeisterung wecken. Schließlich ist es schon ein bisschen skurril, „Born To Be Wild“ mit Blockflöte zu hören und drei Männern dabei zuzusehen, wie sie die Haare fliegen lassen. Vor allem da nur einer der drei, nämlich Markus Conrads, über eine entsprechende Zottelmähne verfügt. Diese Selbstironie ist einfach köstlich. Schön auch die Choreographie bei „Das Modell“, die ähnlich ausgefeilt ist wie die von Kraftwerk; dazu kommen unter anderem Herbert Grönemeyers „Mensch“ in einer ausgedehnten (und leider etwas zähen) Fassung, Peter Schillings „Major Tom“ oder Nora Jones’ „Sunrise“, aber auch Jazz-Standards wie George Gershwins „Summertime“ oder Charlie Parkers „Donna Lee“. Herrlich sind aber auch die Stücke aus eigener Feder mit ebenso prägnanten wie ironischen Namen, angefangen bei Conrads’ „Kein Ding“ bis hin zu Karaulas „Hin“ und „Weg“, die ihm während einer Klassenfahrt eingefallen sein sollen (er war damals noch Lehrer) und mit denen Reisige und Conrads ihrem alten Weggefährten gedenken. Auch das gehört nun einmal in ein Jubiläumskonzert. Das Publikum ist auf jeden Fall euphorisch – und hofft auf weitere 25 Jahre.

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