Die ganze Bühne strahlt. Ein Meer aus Weiß ergießt sich ins Publikum, zusammen mit einer Flut pulsierender Töne, die eine der innovativsten Indie-Bands im deutschsprachigen Raum mit jeder Menge Pathos und absolut brillanter Dramaturgie in Richtung Menge feuert. Der Auftritt der österreichischen Band Bilderbuch, die schon seit Jahren konsequent Konventionen sprengt, ist ohne Zweifel einer der Höhepunkte des Green-Juice-Festivals 2024. Was schon etwas heißen will nach einigen überaus starken Programmpunkten bei fast perfekten Rahmenbedingungen. Sonnenschein pur, gute Stimmung, familiäre Atmosphäre und jede Menge zu entdecken – besser könnte das kleine Festival am Rand des Beueler Ortsteils Pützchen, das in diesem Jahr immerhin zum 15. Mal stattfindet, kaum starten, was angesichts mancher Wetterkapriolen der vergangenen Jahre keine Selbstverständlichkeit ist. Umso mehr genießt das Publikum, das längst nicht mehr nur aus der Region stammt, sondern auch aus Sachsen, Hamburg und dem Schwarzwald nach Bonn kommt, diesen herrlichen Sommertag mit überaus partytauglicher Musik – und auch der ein oder anderen gesellschaftskritischen Passage.
Letzteres gilt für Bilderbuch allerdings nur am Rande. Das Quartett um den exaltierten Sänger und Gitarristen Maurice Ernst, der sich ebenso gut in Szene zu setzen weiß wie einst Falco, können sich zwar durchaus politisch positionieren (so wie etwa bei dem an diesem Abend fehlenden „Europa 22“), wollen aber ganz bewusst keine Protestband sein, so wie sie sich ohnehin jeder Einordnung verwehrt. Sie sind Neoromantiker und Alltagserzähler, spielen progressiven Rock und opulenten Pop, sind offen für alles und dennoch in ihrer Unvorhersehbarkeit konstant. Damit übertrumpfen sie sogar die Band Blond, die unmittelbar vor Bilderbuch auf der Green-Juice-Bühne standen und mit buntem Blumenschmuck, ständig wechselnden Kostümen und eigenwilligen Tanz-Einlagen Songs umgarnen, die sich mit Sexismus auseinandersetzen und mit anderen gesellschaftlichen Missständen, die aber auch mitunter etwas abstrus wirken. Egal, die Show ist auf jeden Fall klasse.
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Zuvor hatten schon Itchy sowie Paula Carolina abgeliefert, erstere als Stammgäste gewohnt kraftvoll, letztere optisch an die junge Nena erinnernd und musikalisch an die Neue Deutsche Welle, wenn
auch mit modernem Anschlag und eindeutig sozialkritischen Texten – was dennoch (oder vielleicht gerade deswegen) – für insgesamt sieben Moshpits reicht. Was schon mal eine Ansage ist und ein
Indiz dafür, dass man die Musik des Green-Juice-Festivals nicht zwingend kennen muss, sie aber durchaus kennenlernen sollte.
Ähnlich geht es am Samstag weiter. Mit Provinz steht ein weiterer Headliner in den Startlöchern, der in den vergangenen Jahren richtig durchgestartet ist; dazu kommen unter anderem Kaffkietz, die
immer wieder gerne Haltung zeigen, sowie Heißkalt, die Singer-Songwriterin Alli Neumann oder auch die Hip-Hop-Lady Futurebae, die längst über ihre Anfänge bei TikTok hinausgewachsen ist. Im
Gegensatz zum Tag zuvor bleibt der Himmel zwar weitgehend wolkenverhangen, es bleibt aber zum Glück trocken, so dass das Festival für alle Seiten befriedigend endet.
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