Normalerweise spielt Chris Tall nicht mehr in kleinen Hallen – und dazu zählt er auch das Brückenforum, immerhin (noch) der größte Ort für Kulturveranstaltungen aller Art. Der 33-Jährige ist einfach mehr gewohnt, füllt längst Arenen und Stadien. Doch zum Auftakt seiner „Laugh Stories“-Tour macht er eine Ausnahme. Für Bonn. Für seine Fans. Für alle, die ihn mit Leckereien und Kunstwerken versorgen. Und für seinen Adoptivbruder.
Letzterer ist schon seit 13 Jahren Teil von Chris Talls Leben, allerdings eher als Bruder im Geiste. Damals haben sie sich bei einem Comedy-Format kennengelernt und sich sofort verstanden. Vor
fünf Jahren haben die Eltern von Chris Tall schließlich das einstige Heimkind Martin, das in jungen Jahren von einer Pflegefamilie misshandelt wurde, adoptiert. „Ich hatte die Wahl zwischen den
Mockridges und den Talls“, scherzt dieser im Brückenforum – denn tatsächlich holt Chris Tall ihn auf die Bühne und gewährt ihm ein paar Solo-Minuten. „Martin hat inzwischen einen richtigen Job,
aber vor kurzem hat er wieder als Comedian angefangen“, erklärt er. „Er hat seitdem erst zehn Auftritte gehabt und ist entsprechend nervös, aber ich glaube, dass ihr lieb zu ihm sein
werdet.“
Dieses Gefühl kommt nicht von ungefähr. Die Menge liebt Chris Tall; einzelne Gäste haben ihm sogar Geschenke mitgebracht. Ein Bild von ihm als Lampengeist wird mit einem Selfie belohnt, ebenso
wie vier Muffins, die eine 13-Jährige extra für Tall gebacken hat und die von der Security eingezogen wurden. Eine Neunjährige darf dank der lautstarken Wortmeldung der Mutter ebenfalls für ein
gemeinsames Foto auf die Bühne, auch wenn so langsam nicht nur das restliche Publikum, sondern auch der Künstler selbst unruhig werden. Aber gut, was tut man nicht alles für die Fans. Solche
Aktionen kommen nun einmal an, zumal das eigentliche Programm noch nicht so wirklich zündet. Ja, die Menge johlt bei jedem pubertären Spruch Chris Talls, aber sonderlich gehaltvoll sind die
Pointen nun wirklich nicht. Genüsslich werden die Klischees von Jungeselinnen- und vor allem von Junggesellen-Abschieden ausgepackt, vor allem weil Chris Tall einen solchen für seinen Bruder
Martin organisiert hat und nur zu gerne von Überraschungen mit Riesen-Dildos, abgerissenen Finkas und peinlichen Anmach-Sprüchen erzählt. „Ich fand’s mega“, kommentiert er, „Ich hab gekackt vor
Lachen.“ Warum auch immer. Die besten Szenen sind nämlich nicht die konstruierten, sondern die spontanen, jene, die Chris Tall im Austausch mit dem Publikum entwickelt, mit Pointen, die einfach
aus ihm herauspurzeln. „Ich hab euch so gern, dass ich keinen Filter mehr habe“, sagt er irgendwann. Ein Gefühl, das von seinen Fans erwidert wird. Daher werden sie wahrscheinlich am 1. November
auch wieder die Lanxess Arena füllen. Und vielleicht sogar Muffins mitbringen.
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