Gut ein Dutzend Nationen, 18 Künstlerinnen und Künstler und mehrere hundert begeisterte Besucherinnen und Besucher: Das Konzert der Local Ambassadors erweist sich einmal mehr als Nukleus und Zusammenfassung des „Over the Border“-Weltmusikfestivals. Erstmals darf das Kollektiv, das aus regionalen Musikerinnen und Musikern sowie aus verschiedenen Gast-Stars besteht, in der Zentrale der Telekom spielen, im Herzen Konzerns, das Menschen miteinander verbinden will, und das über Ländergrenzen hinweg. Darauf verstehen sich auch die Ambassadors um Pianist Marcus Schinkel meisterhaft. Afro-Reggae mit Hip-Hop-Anklängen trifft auf virtuose Kora-Glissandi aus Gambia, polnisches Saxofonspiel auf westafrikanischen Groove und rumänische Volksmusik auf Beethovens „Für Elise“; und das alles passt perfekt zusammen, trotz eingeschränkter Probenmöglichkeiten, einfach weil alle Beteiligten unglaublichen Spaß haben. Nichts wirkt aufgesetzt, nichts erzwungen. Was für ein Fest – das die ursprünglich angedachte Länge von drei Stunden mühelos überschreitet.
Das Konzert, das unter dem Motto „Silence is Violence“ zu mehr offenkundigem Engagement für die Gesellschaft und den Planeten aufruft, erfordert tatsächlich entweder gutes Sitzfleisch oder tanzfreudige Füße. Letzteres ist allerdings spätestens seit dem Auftritt von Mirla Riomar kein Problem mehr. Die Brasilianerin, die auf die in Bonn hinlänglich bekannte Jazz-Sängerin Astatine und den Liedermacher Daniel Bongart folgt, hat Feuer im Blut und weckt beim ohnehin schon euphorischen Publikum auch noch die letzten ruhenden Lebensgeister. Diese Energie greift später dann die unglaubliche Treesha mit ihrer ebenso eigenwilligen wie ergreifenden Reggae-Mischung auf, setzt noch einen drauf – und überlässt dann Wally B. Seck das Feld. Der 38-Jährige ist in Afrika ein echter Superstar, füllt dort ganze Hallen; kein Vergleich zur überschaubaren Telekom-Zentrale, die Wally vor allem wegen seinem Verwandten Pape Samory Seck beehrt und mit seinem Charisma und seiner warmen Stimme verzaubert.
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Unter den hochkarätigen Gästen der Ambassadors sind auch die beiden Wasserfuhr-Brüder Julian und Roman, die einen Tag zuvor mit Cellist Jörg Brinkmann ein umjubeltes Konzert im Kammermusiksaal des Beethovenhauses gegeben hatten. Nachdem Kora-Virtuose Mbye Ebrima es mal wieder mit der Werbung zu gut meinte und die ihm zugestandenen 15 Minuten mit zugegebenermaßen brillantem Spiel und ansteckend guter Laune massiv überzog, konnten die Wasserfuhrs erst gegen 21 Uhr die Bühne betreten, fesselten das Publikum dafür aber schon nach den ersten Minute. Sowohl ihre Eigenkompositionen, denen man die Nähe zu discotauglichen Grooves mitunter deutlich anmerkte, als auch mit lyrischen Cover-Versionen (darunter van Morrisons „Moondance“) sorgten sie für Begeisterung und erhielten tosenden Applaus. Insbesondere Brinkmann, mit dem die beiden Brüder seit nunmehr sechs Jahren ungeheuer erfolgreich zusammenarbeiten, setzte im Beethovenhaus mit atemberaubenden Soli Akzente. Dieser ist heute allerdings nicht mit dabei, und Cellistin Nesrine, die einst zu Daniel Barenboims „East-Western Divan Orchestra“ gehörte, kann offenbar nicht übernehmen. Also holt Julian Wasserfuhr kurzerhand seinen Schüler Amon Deeb auf die Bühne – und überlässt dem zehnjährigen Trompeter in weiten Teilen das Feld. Angesichts des weichen Tons des Bonners, seiner Virtuosität und seiner Freude an der Improvisation die richtige Entscheidung. Nur Wally B. Seck wird später mehr Applaus erhalten als dieser junge Senkrechtstarter, der bei den Local Ambassadors (zu denen unter anderem Stings Tour-Perkussionist Rhani Krija, der „Druckluft“-Posaunist Florian Hertel und der Saxofonist Waldemar Leczkowski gehören) die ideale Spielwiese gefunden hat. Auf dieser fühlen sich nun einmal alle wohl – auch das Publikum, das längst nicht mehr auf die Uhr schaut, sondern einfach zuhört. Und genießt.
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