„Schlachthof 5“: „So geht das“

Manchmal kann man einfach nichts ändern. So ist das eben, heißt es dann mit einem resignierten Schulterzucken. Oder „So geht das“. Diese Phrase aus der deutschen Übersetzung von Kurt Vonneguts post-modernem Meisterwerk „Slaughterhouse Five“ ist in der Inszenierung am Theater im Ballsaal allgegenwärtig. Immerhin ist es die Handlungsunfähigkeit, die die Handlung bestimmt, die individuelle Machtlosigkeit angesichts von Krieg und noch nie gesehener Zerstörung. Es ist daher nur konsequent, dass Regisseur Frank Heuel eine collagenähnliche szenische Lesung des Stoffes auf die Bühne bringt und kein Theaterstück im herkömmlichen Sinne, das angesichts zahlreicher Zeitsprünge des Protagonisten ohnehin nur schwer umzusetzen sein dürfte.

„Schlachthof 5“ erzählt die Geschichte von Billy Pilgrim, einem waschechten amerikanischen Looser, der im wahrsten Sinne des Wortes aus der Zeit gefallen ist. Billy erlebt sein Leben nicht chronologisch, sondern springt vielmehr zwischen verschiedenen Episoden hin und her: Seine Gefangenschaft während des Zweiten Weltkriegs, während der er unter anderem die Bombardierung von Dresden am eigenen Lein erfährt, fügt sich ebenso in dieses Muster ein wie seine Hochzeitsnacht, seine Ermordung – und seine Zeit mit den außerirdischen Tralfamadorianern, die ihn entführen und auf ihrem Planeten zur Schau stellen. Von ihnen übernimmt er ihren Fatalismus und ihren Glauben an das Schicksal; „so geht das“. Wie die Aliens ist Billy fest davon überzeugt, ohnehin nichts ändern zu können, auch nicht an seinem Tod, und so versucht er es auch gar nicht erst. Alles andere wäre ja auch anstrengend.

Im Theater im Ballsaal liegt der Fokus denn auch auf dieser Einstellung, während der Inhalt ansonsten eher dahinplätschert. Selbst das Grauen von Dresden, das Vonnegut als Kriegsgefangener der Deutschen tatsächlich selbst miterlebt hat und dessen Verarbeitung der Auslöser für „Schlachthof 5“ war, passiert einfach und wird ebenso nüchtern verlesen wie die anderen Episoden aus Billys Leben. Stattdessen konzentriert sich Heuel auf die postmoderne Form, auf die Sprunghaftigkeit der Erzählstrukturen und auf die mitunter stark metaphorische Sprache. Justine Hauer, Manuel Klein, Georg Lennarz, Bettina Marugg und Andreas Meidinger sind für ihn nur unterschiedliche Stimmen, die letztlich das selbe sagen, die den Satz des einen fortführen und kurz darauf selbst weitergeben. Demzufolge haben sie auch nicht viel zu tun außer zu lesen – ab und zu bedienen sie mal die Dia-Projektoren an ihren austauschbaren kleinen Tischen oder stehen für einen Moment auf, doch größere Bewegungen sind ihnen lediglich während der beiden von Manuel Klein hervorragend dargebotenen David-Bowie-Hits „Space Oddity“ und „Starman“ gestattet.

Doch bereits in dieser nüchtern vorgetragenen knapp zweistündigen Lesefassung ist „Schlachthof 5“ keine leichte Kost, weder für die Schauspielerinnen und Schauspieler, die an der ein oder anderen Stelle über den Text stolpern, noch für das Premierenpublikum, das mitunter mit den verschiedenen Zeitebenen zu kämpfen hat. Die Schrecken des Krieges, in dem Millionen Menschen starben und Bomben ganze Städte in eine Mondlandschaft verwandelten, erhalten allerdings keine besondere Emphase, werden weder herausgehoben noch dem Grauen preisgegeben. Das passt vielleicht zu Vonneguts Position, dass eine Bewältigung der Vergangenheit auf fiktionalem Weg nicht zu erreichen sei, lässt aber die Frage offen, welche Funktion die Darbietung im Theater im Ballsaal tatsächlich erfüllen soll. Dennoch spendet das Publikum am Ende herzlichen Applaus.

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