Mathias Mester: „Ich bin nicht behindert, ich bin nur klein“

Beleidigungen und Schmähungen kennt Mathias Mester zur Genüge. Er, der „Winzling“, „die halbe Portion“ oder – wie ihn in seiner Jugend der Nachbarsjunge nannte – der „abgebrochene Gartenzwerg“, hat sich immer wieder dumme Sprüche anhören müssen, weil es manchen offenbar nicht passte, dass er anders war. Eben kleiner. 142,5 Zentimeter, um genau zu sein; die Nachkommastelle ist dabei wichtig. Wirklich gestört haben ihn diese Formulierungen nur selten, wie er im Pantheon erzählt, während er sein Buch „Klein anfangen, groß rauskommen“ vorstellt und sich an sein bisheriges Leben erinnert. Dieses war 16 Jahre lang vom Leistungssport geprägt, in dem Mester fast alles erreicht hat, was er hätte erreichen können: Zahleiche Deutsche, Europäische und Weltmeistertitel vor allem im Speerwurf, dazu eine Silbermedaille im Kugelstoßen bei den Paralympischen Spielen in Peking. 2021 beendete er seine sportliche Karriere – und bereut diese Entscheidung eigener Aussage zufolge bis heute nicht.

Mester kam über den Fußball zur Leichtathletik. Bei einem Hobbyturnier wurde er 2005 zu einem Probetraining in Leverkusen eingeladen und traf dort auf die spätere Weltmeisterin Steffi Nerius. Ein Jahr später zog er ins nördliche Rheinland und landete in einer ganz besonderen Wohngemeinschaft. „Mein WG-Partner Mark war 1,93 Meter groß und hatte nur noch sechs Prozent Sehfähigkeit. Dementsprechend sah es in unserer Wohnung aus: Er hat den Dreck nicht gesehen, und ich bin nicht drangekommen.“

Derartige Pointen sind typisch für Mester. „Man muss über sich selbst lachen können, und über die eigene Behinderung“, erklärt er. „Für mich ist das eine Art Selbstschutz. Wenn ich einer dummen Bemerkung einen Witz folgen lasse, nehme ich anderen im besten Fall den Wind aus den Segeln oder erreiche es, dass die Menschen mit mir statt über mich lachen.“ Und so lange man ihm auf Augenhöhe begegne, könne er mit allem umgehen. Zumal er gesteht, dass er selbst auch nicht frei von Vorurteilen ist. Etwa bei der Suche nach einer Partnerin. „Ich mag Frauen mit langen Beinen“, sagt er. „Ich könnte mir daher nicht vorstellen, mit einer Kleinwüchsigen zusammen zu sein. Und ja, ich weiß, dass das oberflächlich ist. Aber dazu stehe ich.“

An Selbstbewusst sein mangelt es Mester auf jeden Fall nicht. „Ich wollte immer der beste Kleinwüchsige der Welt werden“, fasst er seinen Traum zusammen. Als Athlet ist ihm das in weiten Teilen gelungen. Für viele ist er dadurch ein Vorbild geworden, für kleine Menschen ebenso wie für große. Und für jenen Nachbarsjungen, der ihn einst als „abgebrochener Gartenzwerg“ bezeichnete. Dieser Mann sei, so sagt Mester, inzwischen einer seiner größten Fans.

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