Michael Mittermeier: Nachdenklich wie nie zuvor

Eigentlich gibt es dieses Programm ja gar nicht. „#13“. Die Unglückszahl. Mit der sollte man nichts riskieren. Nicht ohne Grund gibt es in amerikanischen Hotels keinen 13. Stock, bei der Deutschen Bahn keinen Wagon mit dieser Nummer und in Flugzeugen der Lufthansa keine 13. Reihe. Selbst in der Juristerei hat sich dieser Aberglaube gehalten: Auf einen 13. Band des Sozialgesetzbuches (SGB) hat der damals zuständige Arbeitsminister Hubertus Heil bei der Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs über Opferentschädigung explizit verzichtet. Nur Michael Mittermeier scheint mit dieser Zahlenangst nichts am Hut zu haben. Schon 2019 hatte der Comedian an einem so betitelten dreizehnten Programm gearbeitet – doch dann machte ihm die „lange Nacht“, wie er die Covid-19-Pandemie bezeichnet, einen dicken Strich durch die Rechnung. Er musste umplanen, stellte eine Show fürs Autokino zusammen, später dann eine mit Corona im Mittelpunkt. Damit waren Nummer 13 und Nummer 14 abgearbeitet. Jetzt aber, mit Programm Nummer 15, hat er „#13“ reaktiviert und es im Rahmen von „Quatsch keine Oper“ auch in Bonn vorgestellt.

Erstaunlicherweise hat „#13“ relativ wenig mit Pech zu tun. Dafür aber mit globalen Problemen. Ja, Michael Mittermeier wird auf einmal nachdenklich, zeigt auf die besorgniserregenden Entwicklungen in der Welt und hinterfragt so manche gesellschaftspolitische Tendenz. So viel Ernsthaftigkeit ist man von dem 57-Jährigen gar nicht gewohnt. Zwar hat Mittermeier schon immer klare Kante gegen Rechts gezeigt, auf der Bühne dominierte aber zumindest bei den letzten Bonn-Besuchen die Provokation durch ordinäre, unflätige oder obszöne Sprüche, die weder Mittermeier noch dem Publikum gerecht wurden. Jetzt hingegen sind derartige Ausrutscher zu einer Seltenheit geworden, verdrängt durch gute Stand-Up-Nummern zwischen „Love Island“ und „Oppenheimer“, zwischen Cannabis-Konsum und Sexismus-Debatten, zwischen Barbie und Olaf Scholz. Ein ganz schöner Spagat, der Mittermeier aber in den meisten Fällen gelingt, gerade weil er nicht jede Aussage ins Lächerliche zu ziehen versucht, sondern manchmal einfach nur Klartext redet.

Dabei kann Michael Mittermeier immer noch über die Strenge schlagen. „Auch Behinderte sollten das Recht haben, sich für ihr Land erschießen zu lassen“, sagt er etwa mit Blick auf die Einberufung russischer Reservisten, selbst wenn diese nicht ganz den Anforderungen für den Militärdienst entsprechen. Paramilitärspiele nennt er das. Autsch. Das ist ebenso grenzwertig wie die Überlegung, ob eine Sprengstoffweste als Übergangsjacken gelten und ob die dichte Behaarung arabischer Männer die Explosion dämpfen könnte. Solche Sprüche hätte auch Serdar Somuncu bringen können, der selbige aber irgendwann aufgelöst hätte. Daran denkt Mittermeier nicht – aber er verschweigt auch nicht die aufgeladene Atmosphäre in der Gesellschaft, sowohl hier in Deutschland als auch anderswo auf der Welt. Er beklagt die Aggression und den Hass allerorten, denen er als Person des öffentlichen Lebens häufiger ausgesetzt ist als anderen Bürgerinnen und Bürgern. „Die Lunte ist fast abgebrannt“, sagt er, „aber ihr kriegt mein Herz nicht schwarz.“ Bravo.

Noch eine weitere Veränderung ist bei Michael Mittermeier spürbar: Sein Umgang mit dem Publikum ist offener geworden und auch unterhaltsamer. Er will wieder mit seinen Fans lachen, nicht über sie, lässt sich auf sie ein, integriert sie in seine Show. In der Bonner Oper trifft er dabei unter anderem auf eine Psychologieprofessorin, die früher Physikerin war und die Heisenbergsche Unschärferelation in einem Satz erklären kann (was Mittermeier und – den Reaktionen nach zu urteilen – auch einem Teil des Publikums nicht weiterhilft), sowie auf zwei Teenager, die er mit Verweis auf einen früheren Selbstversuch vor zu viel Marihuana auf einmal warnt. Auch das ist neu. Und gut. Ja, Mittermeier ist ruhiger geworden, familiärer und all seinen Selbstbeschreibungen als testosterongesteuerter Grillmeister und Zapfpistolen-Cowboy zum Trotz auch braver. Aber er ist damit viel authentischer als noch vor einigen Jahren. Und gerade deswegen besser. Viel besser.

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