Schlachtplatte: Barbieland ist abgebrannt

Alles schön, alles gut, alles rosa? Mitnichten. So einfach kann man sich die Welt nicht schönzeichnen, insbesondere wenn die Schlachtplatte in der Nähe ist und mit ihrer gnadenlosen Jahresendabrechnung all den Barbies und Kens die rosaroten Brillen von den Nasen reißt. Schnell wird dann klar, dass 2023 längst nicht alles so toll war wie manche glauben, die sonst nur zu bereitwillig die Augen vor der Welt verschließen. In Deutschland fängt die Liste an Verfehlungen und ungelösten Problemen schon bei Buchstabe B an: Bauern, Bundeswehr und die Bahn stecken in Krisen, ebenso wie die Bundesregierung in all ihrer rot-gelb-grünen Farbpracht. Und es kommen noch ein paar Buchstaben, ganz zu schweigen von den Bedrohungen auf der internationalen Bühne. All das will das Schlachtplatten-Ensemble um den Kabarettisten Robert Griess aufarbeiten und mit gewetzten Messern zerlegen – nur beißt es mehr ab, als es schlucken kann.

Dabei könnte das Ensemble im Auftrag der Schlachtplatte so viel aufarbeiten, wenn es denn nur wollen würde. Die diesjährigen Kolleginnen und Kollegen von Majordomo Griess sind schließlich nicht von gestern. Kathi Wolf, Alice Köfer und Holger Müller (alias „Ausbilder Schmidt“) können hervorragende Pointen setzen, haben ein eindrucksvolles Gespür für Timing und haben schnell die Lacher auf ihrer Seite. Das Problem sind die Inhalte: Ihre Endabrechnung besteht für Wolf in dem Besuch einer Esoterikmesse und dem Versuch, als Influencerin durchzustarten (was überaus unterhaltsam war); für Köfer in der Teilnahme am Zoom-Meeting ihres Zugnachbarns (herrlich schräg) und in einem kasachischen Volkslied, das sich rückwärts abgespielt fast genauso anhört wie „O Tannenbaum“ (peinlich); und für Ausbilder Schmidt in einer knallharten Dressur des Publikums. Vor allem die Beiträge der Damen sind exzellente Beispiele für Comedy-Nummern – nur haben sie nichts mit den Themen zu tun, die sie zu Beginn des Programms großmäulig angekündigt haben. Diese Verknüpfung von Form und Inhalt gelingt nur Griess, der nur zu gern Politikerinnen und Politiker mit ihren eigenen Aussagen konfrontiert und den Finger zielsicher dahin legt, wo es weh tut. Also auf die Regierungsbank.

Natürlich hat die Schlachtplatte noch nie einen inhaltlichen Grundkonsens besessen sondern war stets ebenso sehr Instrument der Aufarbeitung wie auch Spielplatz der Teilnehmenden. Daran ist auch nichts auszusetzen: Dennoch wäre es angesichts der Fülle von Themen zielführender gewesen, diese nicht nur in den Ensemble-Nummern und den Soli von Robert Griess anzusprechen, zumal erstere stets in Gefahr sind, ein wenig zu gekünstelt zu wirken. Dies gilt sowohl für das Rezitieren von AfD-Originalzitaten als auch für das Treffen zweier Pärchen, die sich in ihrer (vorgegaukelten) Solidarität gegenüber Israel auf der einen und Palästina auf der anderen Seite zu übertrumpfen versuchen, angefangen bei der Änderung ihrer Vornamen. Letzteres ist im Grunde Bestandteil einer guten Nummer, die von der Schlachtplatte aber ein bisschen zu sehr ausgeschlachtet wird und von der eigentlichen Krise mehr ablenkt als nötig. Wie es anders gehen kann, zeigt übrigens gerade das Pink Punk Pantheon, das erstaunlicherweise genau die selbe Inszenierung im Programm hat. Allerdings lässt sich nicht leugnen, dass gerade dieser Aspekt beim Publikum sehr gut ankommt, ebenso übrigens wie die Spielereien von Ausbilder Schmidt und die Auftritte der beiden Damen, die jede auf ihre Weise die Menge begeistern und hoffentlich noch viel von sich hören lassen werden. Auch das Erwecken von Neugier ist ja ein Ziel der Schlachtplatte. Und das hat das Ensemble 2024 auf jeden Fall erfüllt.

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