Diego Piñera Quartett: Fest im Sitz, frei im Spiel

Das geht ja schon gut los: Bereits während des ersten Stücks des Diego Piñera Quartetts, das die Dottendorfer Jazznächte 2024 eröffnet, streikt der Hocker des Frontmanns und Drummers und behindert ihn in seiner Bewegungsfreiheit. Verflixt. Andererseits, gehört hat man davon nichts, dafür war der Opener „Home Office“ viel zu sehr in polyrhythmischen, harmonisch komplexen Welten unterwegs, in denen ohnehin alles erlaubt zu sein scheint. Und auch für den Rest des umjubelten Konzerts bleibt die Blockade Piñeras letztlich eine Fußnote. So leicht lässt sich der Träger des Deutschen Jazz Preises 2023 schließlich nicht aus dem Konzept bringen. Immerhin ist normalerweise er es, der mit seiner Vorliebe für schräge Taktarten traditionelle Hörgewohnheiten durcheinanderbringt – und davon lässt sich Piñera auch von einem störrischen Hocker nicht abhalten.

Einfach machen es Piñera und seine Bandkollegen dem Publikum in dem fast ausverkauften Ortszentrum Dottendorf nicht. Bass (Marcel Krömker) und Schlagzeug laufen gerne mal gegen- statt nebeneinander, Saxofonist Peter Ehwald und Gitarrist Igor Osypov spielen oft eher atmosphärisch-abstrakt als lyrisch-konkret. Und grundsätzlich hat jedes Stück entweder eine Zählzeit zu viel oder zu wenig. Darauf muss man sich erst einmal einlassen, sich einhören in die Welt des aus Uruguay stammenden Piñera, den Kritiker als „einen der interessantesten Drummer unserer Zeit“ bezeichnen. Wer das tut, hört dafür aber irgendwann Beatles-Melodien heraus, kann spannende Wechselspiele zwischen den fünf Musikern auf der Bühne verfolgen – und kann sich vor allem kurz vor der Pause auf Daniel Manrique-Smith freuen, den Ausnahme-Flötisten von Jin Jim, der jede noch so komplexe Phrase zu etwas Aufregendem macht und der auch Osypov zu Höchstleistungen auflaufen lässt. Das Publikum ist begeistert, genießt die Herausforderung und kann sich gleichzeitig bis zum Sommer auf ein abwechslungsreiches Programm freuen.

So wird am 23. Februar das Manic Phonk Orchestra des Bonner Musiker Yassmo in Soul, Funk und Fusion einsteigen und dabei zum einen den Bassisten Emanuel Stanley und zum anderen den Meister der dreihalsigen Gitarre Mirko van Stiphaut  mit nach Dottendorf bringen. Am 15. März trifft der Trompeter Rüdiger Baldauf auf seinen Schüler und Heavytones-Nachfolger Lorenzo Ludemann sowie auf den Newcomer Phil Siemers; am 3. Mai kommt der Senkrechtstarter Jakob Manz mit seiner Band, zwei Wochen später (17. Mai) der Keyboarder Matti Klein; und am 28. Juni schließt das neue Trio von Sängerin und Pianistin Olivia Trummer die erste Hälfte der Spielzeit ab. Weitere Informationen unter www.dottendorfer-ortszentrum.de.

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