Dem Mann mit der roten Kutte und dem langen weißen Rauschebart ist nicht zu trauen. Vor allem jetzt nicht, zur Weihnachtszeit. Da wird er nämlich gerne mal zum Rüpel, bringt mit seinen Rentieren die Oma zu Fall und begeht dann auch noch dreisterweise Fahrerflucht. Zum Glück gibt es Vocaldente, die vor den kriminellen Machenschaften des Weihnachtsmanns warnen. So jetzt auch in der gut gefüllten Springmaus, wo das a-cappella-Quintett mit gewohnt konservativem Harmoniegesang und (mitunter sogar zu) komplexen Arrangements für ein bisschen Adventsstimmung sorgen will. Dafür haben die fünf Herren ihre Nasen in das Liedgut verschiedener Länder gesteckt – und so manches eigenwillige Weihnachtslied ausgegraben.
Ein gewisser internationaler Anstrich ist tatsächlich vorhanden: Mal erklingt eine „Jingle Bells“-Strophe auf russisch, dann wieder ein Lied über einen Weihnachtself auf norwegisch (und ja, die
Melodie ist deckungsgleich mit dem Gassenhauer „Die Holzaktion“ von 1890, der auch „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ zu Grunde liegt). Auch ein kleiner Ausflug nach Peru ist für
Vocaldente drin – das war’s dann aber auch, mehr wird mit dem anfangs groß angekündigten Konzept nicht gemacht. Schade. Zumindest ein französisches und ein italienisches Lied wäre noch nett
gewesen. Stattdessen singen sich Vocaldente auf den anglo-amerikanischen Sprachraum ein, natürlich mit Klassikern wie „All I Want For Christmas“ oder „Let It Snow“, aber auch mit Raritäten wie „I
Want A Hippopotamus for Christmas“ oder dem wunderbar interpretierten Louis-Armstrong-Klassiker „‘Zat You, Santa Claus“ mit seiner Krimi-Atmosphäre.
Musikalisch balanciert Vocaldente zwischen augenzwinkerndem Pop und angestrengtem Knabenchor-Repertoire. Beides kann durchaus unterhaltsam sein, zumal die fünf Herren zweifelsfrei exzellente
Sänger sind, die vor allem bei ihrer geliebten, extrem engen Stimmführung zeigen können, was in ihnen steckt. Und das ist eine Menge – welche andere a-cappella-Formation hat sowohl einen starken
Countertenor als auch einen echten Bass in ihren Reihen, auch wenn beide eher dem dramatischen Fach zugeneigt scheinen als Rock und Pop (obwohl Tobias Pasternack schon einen schön swingenden
Walking Bass beherrscht)? Das gilt es natürlich auszunutzen. Ob dann aber ein Quodlibet-Versuch mit drei parallel gesungenen Weihnachtsliedern der ideale Ansatz ist, sei dahingestellt. Beim
Publikum kommen die anspruchsvollen Arrangements auf jeden Fall hervorragend an. Vocaldente werden ausgiebig gefeiert, und der Weihnachtsbaum auf der Bühne, den das Quintett nach und nach mit
Elementen aus ihren Liedern schmückt, strahlt am Ende ebenfalls. Nur der Weihnachtsmann könnte sich angesichts der gesungenen Warnung ein bisschen ärgern. Aber wenn’s weiter nichts ist...
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