Sting: Gut gestochen

Es ist ein Jubiläum der besonderen Art, das an diesem Sonntag im Pantheon gefeiert wird: Seit zehn Jahren bringen Jin Jim dem Jazz die Flötentöne bei und balancieren dabei mühelos auf dem Grat zum Rock, verbinden also jubilierende Triller mit druckvollen Akkorden und starkem Groove. Mit dieser Mischung hat das Quartett um Daniel Manrique-Smith, in dessen Spiel sich Ian Anderson, Hermeto Pascoal und Michael Heupel zu treffen scheinen, in der vergangenen Dekade nicht nur in der Jazz-Szene für Aufsehen gesorgt. In ihren energiegeladenen Konzerten nehmen sei sich alle Freiheiten, auch wenn die Stücke dann ein wenig länger werden – was dem Publikum im Pantheon nur recht ist.

Dabei verzichtete Sting ansonsten auf Experimente. Sein letztes Album „The Bridge“, das vor zwei Jahren erschienen ist und viele positive Kritiken erhielt, spielte in der Domstadt nicht die geringste Rolle; stattdessen präsentierte der 72-Jährige ein reines Best-of-Programm, das dafür keine Wünsche offen ließ. „Message In A Bottle“, „Englishman In New York“, „Every Little Thing She Does Is Magic“, so ging es Schlag auf Schlag. Und das war erst der Anfang. Dennoch musste Sting die Massen während der ersten Minuten immer wieder animieren, musste sie förmlich zum Mitmachen zwingen, und das obwohl die Songs erfreulich frisch daherkamen, weniger aufgrund großer Umstrukturierungen als vielmehr durch entschlackte Grooves. „Spirits in the Material World“ erhielt deutlichere Reggae-Vibes, „Hounds of Winter“ mehr Soul – mehr brauchte es nicht. Ohnehin ist Sting keiner, der mit dem Vorschlaghammer arbeitet, sondern vielmehr ein Mann der feinen Töne, ein Meister der Nuancen und vor allem jemand, der nicht permanent im Rampenlicht stehen muss. In Köln überließ er diesen Platz nur zu gerne seinen Bandmitgliedern: Mundharmonika-Spieler Shane Sager zum Beispiel, den Sting bei „Brand New Day“ herausforderte, sich an dem Solo zu messen, das ursprünglich niemand geringerer als Stevie Wonder beigesteuert hatte. Sager nahm an. Und gewann. Gleiches galt für Stings langjährigen Weggefährten Dominic Miller, der bei dem zarten, fast schon zerbrechlich-romantischen „Fields of Gold“ an der Akustik-Gitarre glänzen durfte und auch ansonsten eine der wichtigsten Figuren des Abends war.

Auch gesanglich machte Sting immer wieder Platz für andere. Background-Sängerin Melissa Musique sorgte sowohl bei „The Hounds of Winter“ als auch später bei „Heavy Cloud No Rain“ mit ihrer umwerfenden Power-Stimme für Jubel, während ihr Kollege Gene Noble mit zartem Schmelz das lyrisch-fragile „Shape Of My Heart“ darbot und sich dabei einmal mehr als kongenialer Duo-Partner für Sting erwies. Und dann durfte noch einer auf die Bühne kommen, „einer meiner Lieblingssänger“, wie Sting betonte: Gregory Porter. Der Jazz-Musiker, der einen Tag später in Düsseldorf auftreten sollte, nutzte einen freien Tag im Rheinland für einen Kurzbesuch in der Lanxess Arena und setzte „It’s Probably Me“ mit gewohnter Eleganz um, herrlich soulig, rhythmisch eigenwillig und sich ganz in den Moment fallen lassend. Ein starkes Stück. Und Sting? Spielte Bass und war glücklich.


Etwa zwei Stunden lang wirkten Sting und seine Band ihre Magie, von „Walking On The Moon“ bis zu „Desert Rose“, vom melancholischen „Why Should I Cry For You?“ bis zum pulsierenden Gute-Laune-Hit „So Lonely“, das irgendwann in Bob Marleys „No Woman, No Cry“ überging. Es sind Songs, die ebenso wenig gealtert sind wie der Mann, der sie singt, die noch immer frisch und vital wirken und nichts von ihrem Zauber verloren haben. In Köln war das nicht anders. Das Publikum war wie gebannt, hing an den Lippen von Sting, machte nach den bereits erwähnten anfänglichen Startschwierigkeiten bereitwillig alles mit und genoss jede einzelne Minute des Abends. Gegen Ende holte Sting schließlich seinen ältesten Sohn Joe Sumner, der schon im Vorprogramm sowohl mit feinem Folk-Pop als auch mit gradlinigem Rock zu überzeugen wusste, auf die Bühne und sang mit ihm zusammen den alten Police-Klassiker „King of Pain“, bevor das Konzert mit „Every Breath You Take“, „Roxanne“ und einer Akustik-Version von „Fragile“ endete. Ein fantastisches Finale. Bleibt nur zu hoffen, dass Sting noch nicht genug vom Musikerleben hat, sondern auch in Zukunft auf Tour gehen wird. Die Physis und die Leidenschaft des 72-Jährigen sprechen auf jeden Fall dafür. Und zumindest 2024 ist bereits durchgeplant, mit einem Konzert im Rahmen der Dresdner Musikfestspiele sowie zusätzlichen Terminen in Belgien, Frankreich und Italien.

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