Dirty Merry: Die Suche nach dem Zauber der Weihnacht

Weihnachten ist Chaos. Zumindest meistens. Es ist das Fest der Liebe und der Familie, aber auch des Kommerzes, völlig verkitscht und dennoch irgendwie schön. Mit dieser Ambivalenz setzen sich im Haus der Springmaus nun Michael Müller und Christoph Scheeben in der nagelneuen Fassung von „Dirty Merry“ auseinander, wie gewohnt mit einigen bissigen und satirischen Sketchen, viel vermeintlicher Besserwisserei und jeder Menge Musik. Ein unterhaltsames Programm, das in den besten Momenten über sich hinauswächst – und sich im wahrsten Sinne des Wortes im Kopf festsetzt.

Müller und Scheeben sind unter anderem dank der "Nachbarn" schon lange ein eingespieltes Team, das genau weiß, bis wohin es mit trockenem Humor und grotesker Überzeichnung gehen kann. Zumindest meistens: Auf die Tanzeinlagen bei einem überlangen Medley kurz vor der Pause hätten die beiden ruhig verzichten können. Andererseits ist es ohnehin die zweite Hälfte des Abends, die am stärksten wirkt, auch wenn aus ersterer insbesondere die Szene auf einem Kreuzfahrtschiff, bei dem Müller und Scheeben im Brustton der Überzeugung vermeintliche Fakten in den Raum stellen, ebenfalls sehenswert ist: Das bewährte Rezept, das Michael Müller zusammen mit seinem langjährigen Bühnenpartner Andreas Etienne perfektioniert hat, zündet nun einmal immer, insbesondere wenn angebliche Weltgewandtheit auf stupide Akzeptanz trifft. Gefüllter Wal im Weihnachtsiglu. Klasse.

Die wahren Höhepunkte kommen aber später. Da schlüpfen Müller und Scheeben in die Körper zweier offenbar genialer Jugendlicher (ein brillantes Stück Puppentheater), die sich über die weltfremde Borniertheit, den überzogenen Beschützerinstinkt und die peinliche Affektierheit der Eltern und gewisser Verwandter aufregen und so ganz nebenbei die Stadtwerke Bonn hacken, um an Heiligabend kurzerhand sämtliche Ampeln auf Rot zu schalten und alle Lichter in der Stadt auszumachen. Gut, das sich anschließende Plädoyer auf die Kraft der Liebe, die den gesamten Kosmos durchziehen soll, ist ein bisschen zu dick aufgetragen, aber was soll’s. Schließlich ist es die Idee, die zählt. Umso stärker wirken dadurch zudem die bodenständigen Ludolfs – also die echten, nicht die seltsame Kopie aus dem Fernsehen. Mit so einem Blödsinn haben Horst-Günther und Peter nun wirklich nichts zu tun, bis auf den Schrottplatz, dessen Inventar letzterer vollständig im Kopf hat, stimmt da nichts. Auch dieses ungewöhnliche Paar will nun Weihnachten feiern, richtig stilvoll mit einem Fünf-Gänge-Menü aus der Dose, und von diesem Plan kann sie noch nicht einmal ein Lottogewinn abhalten. Was sollen sie auch mit ihrem Geld machen? Brauchen sie nicht. Sie haben doch alles, was sie brauchen. Auch das kann Weihnachten sein.

Auf diese Weise zeigen Michael Müller und Christoph Scheeben verschiedene Seiten des anstehenden Fests, suchen den Zauber der anstehenden Feiertage und müssen schnell feststellen, dass sich den jeder etwas anders vorstellt. Und die menschliche Fantasie kann sich sehr viel vorstellen. Die stärkste Szene hat damit allerdings nur am Rande zu tun: Ein gemeinsamer Ausflug in Scheebens Gehirn, während dieser gerade eine herausfordernde Arie singt, sorgt für ganz neue Einblicke in die Denkprozesse eines Belcanto-Sängers und erweist sich als Meisterleistung. Wie gut, dass Dirty Merry noch mehrfach im Haus der Springmaus gespielt wird. Das sollte keiner verpassen.

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