
„Alles geht den Bach runter“: Derartige Aussagen kann Urban Priol nicht mehr hören. Ja, er als politischer Kabarettist gehört ebenso zu den Mahnenden und Warnenden, aber doch nur weil er muss, nicht weil er will. Und davon abgesehen muss man ja auch mal Kritik üben dürfen, ohne direkt alles schwarz zu sehen. Außer wenn es um die CSU geht. Oder um die CDU. Oder um die FDP. Bei denen sind laut Priol längst Hopfen und Malz verloren, eine Zukunftsgestaltung mit dem dortigen konservativ-ewiggestrigen Personal zwangsläufig ein Rückschritt. Im Haus der Springmaus rechnet der 62-Jährige daher an gleich drei aufeinanderfolgenden Abenden mit Söder, Aiwanger, Merz und Lindner ab – aber auch mit der grundsätzlichen Anti-Haltung so mancher engstirniger Volksvertreter, die sich bei einem Stammtisch im Interesse aller Schweinswale und Rotmilane gegen Windkraft, Solarstrom und Klimaschutz wehren und gegen Corona-Impfungen auf die Straße gehen. Irgendwer muss es ja machen.
Wie von ihm gewohnt geht Priol in seinen Ausführungen nicht gerade stringent vor, sondern schlägt ständig Haken, um ja kein Thema zu einem befriedigenden Abschluss führen zu müssen. Von „Hubsi“
Aiwangers unerklärlichen Gedächtnislücken im Hinblick auf die Flugblattaffäre („Ich kann mich noch an jeden einzelnen Schulverweis erinnern“, sagt Priol dazu) gelangt er über Problembären und
-wölfe hin zu Heizungsverbot und Genderpflicht („beides gibt es nicht“), zu den Streikwellen in Deutschland, zum Fußball und zu seiner alten Erzfeindin Angela Merkel, der er jetzt, da sie weg
ist, einen Orden verleihen will. Weil sie Friedrich Merz ver- und behindert hat. Immerhin etwas.
Ähnlich konfus geht es für Priol weiter. Zu allem hat er etwas zu sagen, zu vielem allerdings auch einige nachhaltige Sätze. Genüsslich offenbart er die Doppelzüngigkeit von Markus Söder, der
2020 ein Verbrennerverbot forderte und inzwischen eine 180-Grad-Wendung vollzogen hat, sowie jenes Spiel mit der Angst, das gerade die FDP als Oppositionspartei mit Regierungsverantwortung
meisterhaft beherrscht. Warum lassen wir das zu? Weil es einfacher zu sein scheint? „Wenn die Kanadier ein Problem haben, suchen sie nach einer Lösung“, erklärt Priol nach entsprechenden
Erfahrungen im Sommer-Urlaub, „aber wenn wir Deutschen ein Problem haben, suchen wir nach jemandem, dem wir es in die Schuhe schieben können.“ Oder nach einem großen Teppich, unter den man die
Sorgen und Nöte einer ganzen Nation kehren kann.
Trotz der Verzweiflung an rückwärtsgewandten Wutbürgern, trotz der Untätigkeit der Herrschenden und trotz einer Fußball-Nationalmannschaft am Boden gibt sich Urban Priol kämpferisch. Und
optimistisch. Ihm bleibt auch nichts anderes übrig, will er nicht von der Angst regiert werden, die in tausend Verkleidungen falschen Alarm schlägt und es genießt, wenn die Menschen aus Panik mit
wieder dem Hamstern beginnen. Die Sorgen vor Gas-Knappheit und Flüchtlingswellen, vor einer Rückkehr der Seuche und vor Veränderungen im Allgemeinen reichen dabei völlig aus. Ein bisschen mehr
kollektive Rationalität wäre schön. Und bis es soweit ist, steht Urban Priol bereit. Ohne Angst. Aber mit viel Witz.
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