Es besteht kaum Zweifel daran, dass Anny Hartmann zu den scharfsinnigsten politischen Kabarettistinnen und Kabarettisten Deutschlands gehört. Ihre Analysen sind ebenso messerscharf wie ihr Blick fürs Detail, ihre Recherche ist umfassend und – das ist ihr hervorstechendstes Talent – ihre Erklärungen sind präzise und verständlich zugleich. Im Rahmen von „Quatsch keine Oper“ hat sie sich in Bonn nun mit dem Klimawandel beschäftigt, verschiedene Unwahrheiten und Täuschungen entlarvt und dem Publikum gezeigt, was es tun kann. Und was nicht. Das klingt so, als würde die 53-Jährige alles richtig machen. Doch während die Inhalte stimmen, weist die Form Schwächen auf. Und die sind so groß, dass die Botschaft darunter leidet.
Das Problem von Anny Hartmann ist nicht ihr Wissen, sondern ihr Witz. Der besteht nämlich zu einem beträchtlichen Teil aus Plattitüden und Banalitäten, aus bemühten Wortspielereien („Jedes Jahr
kommt es zu einem Zuwarmi“ oder „Timing ist keine Stadt in China“) und billigen Kalauern, auf die Hartmann auch noch explizit hinweist, damit auch ja keiner die vermeintliche Pointe verpasst.
Dabei sollte gerade sie als erfahrene Kabarettistin und Regisseurin wissen, dass Gags nur halb so gut oder auch gar nicht funktionieren, wenn man sie als solche ankündigt, sei es verbal oder
gestisch – das Vertrauen in die Kraft des Textes scheint auf jeden Fall nicht allzu ausgeprägt zu sein. Auch Eigenlob für eine angeblich besonders schwierige Alliteration ist eher peinlich denn
brillant, vor allem wenn damit ein Satz wie „Porsche-Partei produziert Penis-Prothesen-Politik“ gemeint ist. Letztlich schadet Hartmann mit diesem Kontrast zwischen Humor und Inhalt letzterem,
schwächt ihre Aussagen, statt sie auf satirische Weise zu forcieren, und torpediert ihren Ruf als Kabarettistin, obwohl sie doch so viel mehr zu bieten hat.
Natürlich ist vieles davon eine Frage des Geschmacks und des Stils, und ihre Vorliebe für Witze aus dem Fips-Asmussen-Umfeld ist hinlänglich bekannt. „Böse Quickies“ hat sie das mal genannt,
gewissermaßen als Gegengewicht zu den komplexen Themen, mit denen sie sich sonst beschäftigt. Kann ja auch klappen – wenn es denn einen Bezug zwischen beidem gibt. Doch genau den lässt Hartmann
oft vermissen. Ohnehin schweift sie immer wieder ab von ihrem großen Klimareport, thematisiert die Einschränkung der Grundrechte während der Corona-Pandemie, spricht über die Fußball—WM in Katar
oder regt sich über die stetigen Gewinne der Rüstungsfirmen in Kriegszeiten auf. Alles wichtige Themen, keine Frage. Aber längst nicht alles passt so nahtlos zusammen, wie Anny Hartmann das gerne
hätte, und lenkt unnötig von dem ab, was sie eigentlich zu sagen hat. Und das hat es in sich. Gnadenlos dekonstruiert sie die beliebtesten Klimalügen, indem sie unter anderem den tatsächlichen
CO2-Ausstoß von Atomstrom berechnet und den Einfluss der Mineralöl-Lobbyisten bei der Gesetzgebung offenlegt. Ebenso verweist sie auf den politischen und juristischen Druck, der derzeit auf die
Letzte Generation ausgeübt wird und der diese Gruppierung in die Nähe von Terroristen rückt – was Anny Hartmann selbst zu spüren bekommen hat, nachdem jemand sie angesichts ihrer Aufforderung zum
zivilen Ungehorsam bei der Staatsanwaltschaft angezeigt hat. Die hat die Klage zwar abgewiesen, warnt aber in einem Schreiben davor, dass bei einer Wiederholung „nicht mit weiterer Nachsicht“ zu
rechnen sei. Soviel also zu Meinungs- und Kunstfreiheit. Der von Anny Hartmann herangezogene Artikel 20 des Grundgesetzes, in dem ziviler Ungehorsam definiert und in engen Grenzen erlaubt ist,
greift dagegen übrigens nicht: Er bezieht sich ausschließlich auf einen Angriff gegen die Verfassung als Ganzes, und den führt der Klimawandel wirklich nicht.
So wackelt vor allem die erste Hälfte von Hartmanns „Klimaballerina“-Programm immer wieder. Stärker wird sie dagegen nach der Pause, als sie ausgehend von den Kapitalismus-Theorien des 19.
Jahrhunderts sowohl die Diskriminierung der Frauen als auch die jahrzehntelange verfehlte Klimapolitik erklären kann. Das ist Anny Hartmann, so wie sie am Besten ist: Verständnis schaffend,
Missstände aufdeckend und problematische Positionen beleuchtend. Ohne Zoten und ohne bemühte Witze. Dafür aber mit ganz viel Herz. Geht doch.
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