Die goldene Ära des deutschen Schlagers hat schon immer Musiker in ihren Bann gezogen, die es lieben, Raritäten zu entdecken zu entstauben und zu modernisieren. Max Raabe hat sich dabei auf Chansons und Couplets spezialisiert, die er auf seine ganz eigene Art und Weise interpretiert – und Götz Alsmann bleibt im Mainstream, gräbt dafür aber tiefer und exhumiert so manch „vergessene Trouvaille“, um ihr neues Leben einzuhauchen. Nun ist der Mann mit der Haartolle auf Einladung der Springmaus nach langer Zeit wieder mal nach Bonn gekommen, und zwar in die ausverkaufte Oper, die damit zum ersten Mal seit vielen Jahren dem Endenicher Kleinkunsttheater seine Hauptbühne zur Verfügung stellt. Eine gelungene Kooperation, nicht zuletzt weil Alsmann mit seinem bewährten Charme, seinem Gespür für Pathos und Dynamik sowie seiner unsterblichen Liebe zu wachzuküssenden Schlagern einen großartigen Job macht und so manche vergessene Perle in neuem Glanz präsentiert.
Alsmann erweist sich nicht nur als Archäologe verloren geglaubter Melodien aus den 1910er bis 1960er Jahren, sondern auch als geschickter Restaurator, der seine Schätze zusammen mit seiner Band vorsichtig, aber bestimmt zum Swingen und Klingen bringt. Dazu gehören unter anderem Stücke von Michael Jary, dem einstigen König des Schlagers und einstigen Hauptkomponisten zahlreicher Ufa-Filme. Über 500 Hits soll er laut Alsmann geschrieben haben, die Gesamtzahl seiner Werke gehe gar in die Tausende. Und doch sind nur noch wenige Titel ein Begriff, so wie Zarah Leanders „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“. Die allerdings interessieren Götz Alsmann nicht. Er gräbt tiefer, reanimiert den „exotischen Mystik-Mambo“ oder auch „Unter tausend Laternen“ aus dem Filmklassiker „Die Stimme des Anderen“. Dazu gesellen sich das „Zauberlied“ von Rudolf Nelson, Udo Jürgens’ Frühwerk „Was ich dir sagen will, sagt mein Klavier“ oder auch die Ballade „Wenn man sich im Mondschein küsst“, die Alsmann schon seit Jahren im Programm hat und die immer wieder wohlige Intimität erzeugt. Angesichts dieser Glanzleistung könnte an der Fantasterei des 65-Jährigen, der zu Beginn der zweiten Hälfte von parfümierten Liebesbriefen in seiner opulenten Garderobe erzählt, vielleicht doch mehr dran sein.
Unstrittig ist, dass das Publikum Götz Alsmann zu Füßen liegt, sowohl für seine charismatische, warme Stimme als auch für seine absurden Geschichten, die sich wie eine Springflut aus dem Mund dieses begnadeten Entertainers ergießen und die Menge im Saal sprachlos werden lassen. Diese Momente, so scheint es, liebt Alsmann beinahe noch mehr als seine Musik – immerhin kann er dann seinen Egozentrismus ausgiebig hegen und pflegen, kann sich spielerisch klein machen und dadurch letztlich nur überhöhen, ohne dabei jemandem das Rampenlicht zu nehmen. Und das braucht er nun einmal wie Efeu die Sonne. Andererseits wissen seine Bandmitglieder auch, wie sie sich ihre eigenen Freiräume erkämpfen können. Vor allem Vibraphonist Altfried Maria Sicking begeistert immer wieder mit virtuosen Soli, während Perkussionist Markus Paßlick irgendwann vom Bongokönig zum Maracas-Clown mutiert und vor dem Flügel die Hüften kreisen lässt. Alsmann steht derweil daneben, spielt ein paar Akkorde auf einer E-Gitarre und lässt seinen langjährigen Kollegen machen. Bassist Ingo Senst und Drummer Dominik Hahn, der den verletzten Rudi Marhold souverän ersetzt, haben es derweil schwerer, ihre Akzente zu setzen, sind am Ende aber doch erfolgreich. Das Publikum ist dementsprechend begeistert, bejubelt Alsmann und seine Band und würde gerne noch mehr Schlager-Schätze hören. Vielleicht beim nächsten Mal. Hoffentlich in der Oper.
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