Helmut Schleich: Zwischen Kabarett und Kabinett

Die Wahrheit ist eine schwierige Sache. Sie ist so wandelbar, so fluide, vor allem in der Nähe von Politikerinnen und Politikern. „Glücklich ist, wer vergisst“, sagt Helmut Schleich in diesem Zusammenhang – und fängt im Pantheon sogleich an, diesen Zustand zu korrigieren. Immerhin erinnert sich der bayerische Kabarettist nur zu gut an so manche Aussage, die die Regierenden gerne aus dem kollektiven Gedächtnis tilgen würden, und opfert sich bereitwillig, um diese Worte zu bewahren, statt sie im Orkus verschwinden zu sehen.

Dass sich dabei die Grenzen zwischen Kabarett und Kabinett zunehmend auflösen, ist ihm bewusst – aber was soll er anderes machen, als genau darauf hinzuweisen: Auf die Diskrepanz zwischen der Mahnung aus der Pandemie-Zeit, sich ja mindestens zehn Mal am Tag die Hände zu waschen, und der Aufforderung, das Duschen aus Spargründen einzustellen; oder auf die Forderung der Grünen während des letzten Wahlkampfs, keine Waffen in Kriegsgebiete zu liefern, nur um jetzt lautstark einen Ringtausch zu befürworten. Derartige Widersprüche zerrt Schleich in seinem aktuellen Programm gnadenlos ans Licht, seziert sie mit scharfem Blick und rückt so manchen Kommentar ins rechte Licht.

Vor großen Themen hat Schleich dabei keine Angst. Pandemie-, Klima- und Ukraine-Politik sind für ihn nicht etwa Tabu-Themen, mit denen man das Publikum vielleicht verschrecken könnte, sondern ganz im Gegenteil jene, bei denen es den Großkopferten ganz besonders aufs Maul zu schauen gilt. Schonungslos legt er dar, wie Grundrechte zu Privilegien wurden und Hunde zu Statussymbolen, wie Kriegstreiber im Bundestag Werbung für deutsche Rüstungsfirmen machen und wie die Bevölkerung sich neue Heilige sucht, unter anderem Greta Thunberg und Luisa Neubauer, die allerdings auch nicht immer Verstand und Mund in Einklang bringen können. „Besser eine Doppelmoral als gar keine Moral“ – ein gefährlicher Satz von Neubauer, auf verschiedenen Ebenen. Auch Heilige machen wohl Fehler.

Schleich ist allerdings nicht nur ein versierter politischer Kabarettist, sondern vor allem im zweiten Teil des Programms auch ein leidenschaftlicher Kämpfer für deutsche Sprache und Kultur. Letzteres überlässt er seinem Alter Ego, dem Stammtischbruder Freddy Hamperdinger, der statt im Biergarten in Tschechow „Kirschgarten“ landet (eine Nummer, die nicht ganz so taufrisch ist wie das vermeintlich neue Programm), ersteres diskutiert er selbst, indem er unter anderem die Untiefen des bairischen Konjunktivs auslotet und gleichzeitig so manchen vermeintlichen Rassismus-Vorwurf (etwa im Zusammenhang mit den vielen „Mohren-Apotheken“) relativiert. Ob in gestochenem Hochdeutsch, ausgeprägtem Münchener Dialekt oder dem gelegentlichen rheinischen Glucksen, das Schleich wohl von Fritz Litzmann, der Kunstfigur seines Mentors und Regisseurs Rainer Pause, übernommen haben dürfte, stets formuliert der 55-Jährige präzise, bissig und unterhaltsam. Sollte man gesehen haben.

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