HG Butzko: „Wenn es ernst wird, muss man lügen“

Im politischen Narrativ gibt immer (mindestens) zwei Seiten. Die der Guten und die der Bösen zum Beispiel, und ersteres sind in der Regel wir, also die Deutschen beziehungsweise der Westen. Sagen wir, also der Westen. Das macht es einfach, Entscheidungen als alternativlos darzustellen, als notwendig und richtig. Ob diese Zuordnung jedoch zutrifft und was die andere Seite darüber denkt, wird gerne verdrängt. Nur nicht von HG Butzko. In seiner 25-jährigen Kabarettistenkarriere hat der 58-Jährige stets versucht, das Schwarz-Weiß-Denken aufzubrechen und alle Standpunkte zu beleuchten, auch wenn das bedeutet, dass er dem Volk eben nicht nach dem Maul redet und in die unbequeme Rolle des Advocatus Diaboli schlüpfen muss. Anlässlich seines Jubiläums war er jetzt wieder im Pantheon zu Gast – und sucht gerade bei sensiblen Themen wie Corona-Impfung und Ukrainekrieg nach der Position der anderen.

Leicht macht es sich Butzko mit diesem Ansatz nicht: Die großen Theater lassen sich nun einmal deutlich schwerer füllen, wenn das Publikum mitdenken muss. Dennoch ist die Anzahl der Gäste an diesem Abend ziemlich enttäuschend, selbst in der deutlich kleineren Lounge des Pantheon. „Ihr seid meine Basis“, sagt Butzko dazu nur. Und fängt an, mit deutschen Politikern aus dem Kabinett Gerhard Schröders und aus der Ära Merkel abzurechnen. Die auf mysteriöse Weise verschwundene Bar-Spende des Waffenhändlers Karlheinz Schreiber an Wolfgang Schäuble wird ebenso thematisiert wie die angeblichen Konzentrationslager im Kosovo, die Rudolf Scharping als Rechtfertigung für den Einsatz der Bundeswehr heranzog und die in Wirklichkeit nie existiert haben. Auch Merkels Griechenland-Politik kommt an den Pranger. „Wenn es ernst wird, muss man lügen“, zitiert Butzko den ehemaligen EU-Kommisionspräsidenten Jean-Claude Juncker. Oder alternativ die Wahrheit neu definieren. So wie beim Ukraine-Krieg. „Damit mich niemand falsch versteht, ich stehe zu einhundert Prozent hinter der ukrainischen Zivilbevölkerung“, betont Butzko. „Aber dieser Krieg hat eine Vorgeschichte, und an der sind wir nicht ganz unschuldig.“

Vorsichtig entwirrt Butzko das historische Geflecht rund um das Assoziierungsabkommen der Ukraine mit der EU, die russische Schwarzmeerflotte auf der Krim, die Parallelen zur Kuba-Krise und die antirussischen Maßnahmen der ukrainischen Regierung. Manchmal verheddert er sich allerdings (das vermeintliche Verbot der russischen Sprache ist zum einen eine jüngere Entwicklung und zum anderen sehr viel differenzierter), was an dem Abend selbst aber kaum jemand bemerkt haben dürfte. Der Grundgedanke Butzkos, beide Seiten zu Wort kommen zu lassen, bleibt davon unberührt. Nach der Pause macht er damit weiter, dann allerdings bei den Verfehlungen der Corona- und der Klima-Politik. Ein lehrreicher Abend, der mehr Zuschauer verdient gehabt hätte.

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