Ulrich Tukur & die Rhythmus Boys: Tanztee mit Schuss

Swing geht immer. Vor allem die frühen Werke jener Ära sind gewissermaßen unsterblich, die Unterhaltungsmusik von Cole Porter und Irving Berlin, von Glenn Miller und von Tommy Dorsey. „Anything Goes“, „Puttin' on the Ritz“, „In the Mood“. Diesen Evergreens ist auch Ulrich Tukur verfallen, und das schon lange. Der Schauspieler und „Tatort“-Kommissar ist schließlich eigenen Angaben zufolge älter, als er aussieht. Deutlich älter.

Einst, so erzählt er, habe er die genannten Komponisten alle kennengelernt, habe manchen von ihnen gar bei der Einbürgerung in die Vereinigten Staaten geholfen, weil er, damals regelmäßig zwischen Bielefeld und New York pendelnd, nun eben ein Mann von Welt sei. Letzteres glaubt man ihm gerne. Im Rahmen von „Quatsch keine Oper“ hat Tukur nun zusammen mit seinen Rhythmus Boys einen Abend in Bonn verbracht, hat aus dem Nähkästchen geplaudert und ganz übermütig die Lieder jener Zeit mit eigenen Kompositionen vermischt. Was herrlich altmodisch ist. Und wunderbar verrückt.

 

Tukur und seine Band spielen schon seit 1995 zusammen und sind der Musik stets mit einem liebevollen Augenzwinkern begegnet. Die auf den ersten Blick altbackene Kombo, die in ihren braun-beigen Anzügen an eine Tanztee-Kapelle erinnert, hat den Schalk denn auch sowohl im Nacken als auch faustdick hinter den Ohren sitzen. So darf der 2,08-Meter-Bassist Günter Märtens sowohl seiner Leidenschaft für Paarungstänze als auch für Mick-Jagger-Imitationen frönen („Let's spend the night together“ – dieser kleine Anachronismus sei erlaubt), während Gitarrist Ulrich Mayer bei den von ihm lautstark angekündigten Soli Jimi Hendrix auf das Wesentliche reduziert und Kalle Mews, laut Tukur die Ritter Sport unter den Schlagzeugern („quadratisch, praktisch, gut“), mitunter zu einem Trommel-Wirbelwind im Miniaturformat mutiert. Dazwischen wird dann das Steinhuder Meer besungen oder die anbahnende Beziehung zwischen einem Sen(i)or und seiner Senorita, geschrieben von Tukur und stilistisch nahtlos an die Klassiker anknüpfend. Ein Genuss, der vor allem durch die unerhörte Lässigkeit der Rhythmus Boys entsteht. Und durch die irrwitzigen Moderationen Tukurs, der auf eine wahrhaft biblische Lebensgeschichte zurückblickt (was angeblich auf eine Überdosis eines experimentellen Backpulvers aus versteinertem Dinosaurierdung zurückzuführen sei) und so manche Anekdote kennt, von denen einige sogar der Wahrheit entsprechen. Minutenlang kann er so von Cole Porter erzählen, nur um dann ein Stück von Irving Berlin anzumoderieren, was aber dann doch irgendwie passt oder zumindest passend gemacht wird. Das Publikum im ausverkauften Opernhaus kommt kaum zum Durchatmen – was letztlich genau das ist, was Ulrich Tukur und die Rhythmus Boys bezwecken. „Wir wollen ihren psychischen Aggregatzustand etwas verändern“, begründet Tukur seinen Ansatz. Einfach mal für zwei Stunden weg mit allen Sorgen des Alltags und wahlweise in nostalgische Verzückung geraten oder in tosendes Gelächter ausbrechen. Am liebsten beides. Was denn auch mühelos gelingt.

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