Farhad Darya: Partystimmung mit Afghanistans Stimme

Mit Musik gegen Terror und Unterdrückung: Diesen Ansatz verfolgt Farhard Darya seit inzwischen 40 Jahren. Der afghanische Sänger, seines Zeichens der einflussreichste und populärste Musiker seines Heimatlandes, hat sich im Laufe seiner Karriere noch nie den Mund verbieten lassen und in seinen Liedern immer wieder politische Themen aufgegriffen. Auch unter den wiedererstarkten Taliban, die wie schon in den 90er Jahren gegen jede Art von Musik vorgehen, erhebt er immer wieder seine Stimme zum gewaltfreien Widerstand und im Dienst von Frieden und Freiheit. Jetzt ist Darya im Rahmen seiner „Music Never Dies“-Tour ist Darya auch zu Gast ist nahezu ausverkauften Bonner Brückenforum.

Schon die ersten Töne reißen das Publikum von den Stühlen. Kein Wunder: Darya ist ein charismatischer Künstler, ein Mann mit Ausstrahlung, der jauchzend und trällernd die schönen Seiten Afghanistans in Erinnerung ruft, der Lebensfreude und kulturellen Reichtum gegen all das Elend und das Leid der vergangenen Jahre setzt und zeigt, dass die Taliban viel zerstört haben, die Seele des Volkes aber nicht. Es ist denn auch ein Konzert, dass Darya in erster Linie für seine Landsleute gibt; natürlich singt er vorwiegend in Paschtu, mitunter aber auch auf Dari und Usbekisch – wer dieser Sprachen nicht mächtig ist, kann sich die Stücke nur über die Musik erschließen, die ständig zwischen gefühlvollen Balladen und wilden Volkstänzen wechselt, garniert mit allerlei Pop-Elementen. Zwei Perkussionisten und ein Schlagzeuger sorgen für treibende Grooves, während ein Oud-Spieler und vor allem ein Keyboarder die Harmonien auffüllen. Schon dadurch wirkt der Stil Daryas eigenwillig, ist ebenso modern wie traditionell, Konventionen sprengend und doch stets Gemeinsamkeiten suchend. Mal klingt er elegisch und melancholisch, dann wieder enthusiastisch und vibrierend. Seine Balladen rühren das Publikum zu Tränen, andere Lieder laden zum Tanzen ein – und beides lassen sich die Menschen im Saal ebenso wenig verbieten wie die Musik an sich.

Ohnehin zeigt Fahrad Darya immer wieder Haltung. Schon im Vorfeld seines Auftritts läuft ein Video zum Taliban Music Channel in Dauerschleife; dieser Kanal gilt als Stimme des oppositionellen Afghanistans und richtet sich insbesondere gegen die Versuche der Taliban, die Musik zu unterdrücken. Und wer wäre besser geeignet, diese Botschaft in die Welt hinauszutragen, als der Vater des afghanischen Folk-Pop? Einer, der sich nicht zum Schweigen bringen lässt und die Musik zum Bauen von Brücken und zum Zuschütten von Gräben verwendet? Das Publikum weiß diesen Einsatz zu schätzen – und macht in Bonn genau das, was die Taliban nicht wollen. Singen. Und Tanzen. Und leben. Überall stehen Männer und Frauen, in den Gängen und zwischen den Stühlen, mit den Armen wedelnd und mit den Hüften wackelnd, aus allen Generationen kommend und das Leben feiernd. Dafür braucht es dann auch keine Übersetzung, da spricht die Musik für sich. Und Farhad Darya stellt sicher, dass es von dieser mehr als genug gibt an diesem Abend. Bis Mitternacht spielt der 60-Jährige ein Lied nach dem anderen, zahlreiche Hymnen an den Frieden und an die Freiheit, Musik der Hoffnung und der Perspektiven. Er erschafft Visionen von einem Afghanistan, wie es nicht ist, aber wie es wieder sein sollte – und demonstriert, warum Kunst und Kultur überall auf der Welt unabdingbar (oder in gutem Beamtendeutsch „systemrelevant“) sind. Seine Landsleute verstehen das. Und singen umso lauter, nicht, weil sich dadurch etwas ändert, sondern weil dadurch etwas bleibt. Ein Funke zumindest. Aber der reicht.

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