„Löwenherzen“: Plüschiger Helfer in der Not

Eigentlich soll er Gott finden: Mit dieser wichtigen Mission und einem sehr persönlichen Brief schickt der achtjährige Anand, der in einer Fabrik in Bangladesch Stofftiere näht, einen leicht verunglückten Löwen auf eine Reise um die Welt und initiiert damit die Handlung des überaus bewegenden Jugendtheaterstücks „Löwenherzen“, das jetzt in der Werkstattbühne des Theater Bonn Premiere feiern konnte. Der plüschige Held ist ebenso wie Tausende seiner Artgenossen auf dem Weg nach Europa, jenem mythischen Kontinent, der für Anand dem Paradies am nächsten kommt, mit Schnee, Schokolade und anderen schönen Dingen. Wo wenn nicht da wird Gott leben, und wer wenn nicht er müsste Anand helfen können. So zumindest die Idee. Doch so einfach sind gute Geschichten nur selten. Und jene, die die georgisch-deutsche Dramatikerin Nino Haratischwili mit ihrem ersten Kindertheaterstück erzählt, die ist gut. Sehr gut sogar.

Um es vorweg zu nehmen: Der Löwe wird nicht fündig. Aber er bewirkt Wunder, alleine schon indem er immer in die Kinderhände gelangt, die ihn gerade am dringendsten brauchen, und indem er Trost spendet, Mut und Kraft. Auf Umwegen gelangt er zu Sula, die im Senegal für eine Hexe gehalten und von den anderen Kindern in ihrem Dorf gemieden wird; und er sorgt dafür, dass der junge Piero, der mit seinem ebenso geschäftstüchtigen wie brutalen Vater auf der Durchreise ist, ihr mit einer klugen Idee und einem Fahrrad hilft. Später fällt er dem Flüchtling Amari in die Hände und beschützt ihn auf seiner Odyssee über das Mittelmeer – die eindringlichste und bedrückendste Episode des Stücks, anregend und doch zu keinem Zeitpunkt plakativ. Und auch dem französischen Wunderkind Louise hilft er, nicht bei einer grausamen Überfahrt, sondern zusammen mit einem Fotografen bei der Suche nach sich selbst, was dank der exzellenten Schauspielleistung nicht weniger rührend ist als die Abenteuer Amaris.

Ohnehin setzt das starke Ensemble (Rafaat Daboul, Mira Wickert, Ia Weiß und Aljoscha Zinflou) unter der Regie von Hanna Müller alle Episoden überaus gefühlvoll in Szene, Kinder spielend, aber nicht kindisch spielend. Ihre Sorgen und Nöte, so unterschiedlich sie auch sein mögen, werden nicht gewertet, nicht aufgebauscht und auch nicht verlacht, sondern schlichtweg ernst genommen und mit einer ebenso großen Spielfreude wie Intensität auf die Bühne gebracht. Für jüngere Kinder mag dabei dennoch manches nicht immer sofort verständlich sein, da Autorin Haratischwili nicht mit Anspielungen und philosophischen Gedanken geizt, insbesondere gegen Ende des Stückes. Nicht ohne Grund gilt daher eine Altersempfehlung ab zwölf Jahren. Andererseits liefert „Löwenherzen“ mehr als genug Material für ein Dutzend anregende Diskussionen im Nachgang – und davor 90 Minuten ergreifenden Theatergenusses. Das sollte man sich wirklich nicht entgehen lassen.

Termine:
28. Februar und 1. März, 11 Uhr; 12. März, 16 Uhr; 13. März, 11 Uhr. Karten erhalten Sie an allen bekannten Vorverkaufsstellen sowie unter www.theater-bonn.de.

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