Night of the Proms: Supershow ohne Supermann

Die gesamte Lanxess-Arena singt aus tiefster Seele mit. „Music“ natürlich, was auch sonst. Doch die Hymne der beliebten Konzertreihe „Night of the Proms“, die jetzt nach 1000 Tagen erzwungener Auszeit endlich wieder in Köln zu Gast sein kann, ist an diesem Abend besonders berührend. Immerhin ist John Miles nicht mehr da, der „Supermann“ der Proms, wie Moderator Marcus Fahn ihn nennt. Seit dem Debüt 1985 war der Brite bei insgesamt 25 Touren mit von der Partie, das Gesicht und die Stimme der Show. Jetzt, ein Jahr nach seinem Tod, hinterlässt er eine Lücke, die selbst die Gaststars dieses Abends in Köln nicht füllen können. Auch wenn sie es mit ihren eindrucksvollen Auftritten zumindest etwas leichter machen.

Mit den ganz großen Namen der Vergangenheit kann die „Night of the Proms“ allerdings diesmal nicht aufwarten. Kein Bryan Ferry, kein Boy George, kein Robin Gibb, um nur einige zu nennen, die in den letzten Jahren gerne mal ihre Hits zum Besten gegeben haben. Dafür ist Publikums-Liebling Amy Macdonald wieder mit dabei (natürlich mit „This Is The Life“), ebenso wie Nik Kershaw („The Riddle“) und Kool & the Gang mit ihrem herrlichen Funk, der das Publikum auch ohne die Beteiligung der beiden kürzlich verstorbenen Gründungsmitglieder Ronald Bell und Dennis Thomas unweigerlich von den Stühlen reißt. Doch schon die erste Hälfte des Abends hat es in sich: Gleich zu Beginn der Show sorgt der amerikanische Singer-Songwriter Matt Simons, dessen Gute-Laune-Hit „Catch & Release“ immer wieder gerne im Radio gespielt wird, mit einem überaus charismatischen Auftritt samt Ausflug ins Publikum für Stimmung, und kurz darauf zeigt Carol Decker, wie man auch mit 65 Jahren stimmliche Brillanz und Kraft in Perfektion vereinen kann. Die Sängerin der britischen Popband T'Pau, die 1987 mit „China In Your Hand“ ihren größten Erfolg feiern konnte, blüht mit dem Antwerp Philharmonic Orchestra im Rücken erst so richtig auf, begeistert mit „Valentine“ und genießt sichtlich das Zusammenspiel mit Saxofonistin Yolanda Brown, die bei „China In Your Hand“ aus dem Saal in Richtung Bühne schreitet.

Natürlich kommt auch die populäre Klassik nicht zu kurz. Beim Ungarischen Tanz Nr. 5 von Antonin Dvorak klatscht das Publikum denn auch sogleich leidenschaftlich mit, auch wenn es dem energischen Dirigat von Orchesterleiterin Alexandra Arrieche nicht immer präzise folgt; und bei dem Strauss-Walzer „An der schönen blauen Donau“ wiegen sich zahlreiche Paare in den Gängen im Takt. Unmittelbar vor der Pause folgt dann allerdings ein emotionaler Moment auf den nächsten. Erst erzählt Yolanda Brown mit Tränen in den Augen vom Tod ihrer Großmutter, die ihr alles beigebracht habe und der sie Bob Marleys „Is This Love“ widmet, dann sendet Marcus Fahn mit einer Regenbogenbinde ein Zeichen in Richtung Katar, und schließlich ehrt „Night of the Proms“ John Miles gleich doppelt: Mit „My Way“, dem von ihm selbst gewählten Abschiedssong, und natürlich mit „Music“, dargeboten von den drei Backgrund-Sängerinnen und -Sängern Michelle Oudeman, Rob de Nijs und Julia van de Ketterij – und von John Miles Junior, der sich anstelle seines Vaters ans Klavier setzt und zur Gitarre greift. Eine bewegende Darbietung, die ohne Zweifel den Höhepunkt der Show bildet, trotz der starken Leistungen der zweiten Hälfte. Das Publikum ist denn auch sichtlich ergriffen, stimmt ein und verabschiedet sich so von einem Musiker, der mit nur einem Song Musikgeschichte geschrieben hat. Und der fehlt, bei dieser „Night of the Proms“ und bei allen, die noch folgen werden.

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