Es ist immer schön zu sehen, dass noch nicht alle aber doch immerhin manche Künstler nach zweieinhalb harten Jahren wieder da weitermachen können, wo sie vor der Corona-Pandemie aufgehört haben, nämlich in ausverkauften Clubs mit einem entspannten Publikum und der eigenen, berührenden, aufregenden Musik. Für das Tingvall Trio gilt dies auf jeden Fall, zumindest in der Bonner Harmonie. Gleich zwei Abende hintereinander spielen Pianist Martin Tingvall, Bassist Omar Rodriguez Calvo und Drummer Jürgen Spiegel vor vollem Haus, nehmen das Publikum mit zu einer Reise durch die Welt des Tanzes und in die schwedischen Wälder, verzaubern mit herrlichen Melodielinien und euphorisieren durch druckvolles Schlagzeugspiel. Ein Genuss für Ohren und Seele.
Seit nunmehr 16 Jahren bereichert das Tingvall Trio die europäische Jazz-Szene und setzt immer wieder Maßstäbe. So international ausgerichtet wie derzeit war ihre Musik allerdings noch nie:
Während das Album „Cirklar“ noch den Schulterschluss zu den schwedisch geprägten Werken der Anfangsjahre suchte, richtet die aktuelle Platte „Dance“ den Fokus ins Ausland, nach Kuba, Japan,
Spanien oder in den arabischen Raum. Von diesen Ländern haben Tingvall und seine Kollegen sich inspirieren lassen, haben das rege Treiben in Tokyo adaptiert, von den komplexen Rhythmen des
Flamenco und von den Vorstellungen, die sie von Kuba haben. „Wir waren noch nie da“, gesteht Tingvall, „aber wir hoffen, dass wir es alle eines Tages schaffen. Dann werden wir sehen, ob wir
mit unserer Idee dieses Landes richtig liegen.“ Und selbst wenn nicht: „Cuban SMS“ wäre trotzdem eine wunderbar spritzige Komposition, bei der vor allem Jürgen Spiegel förmlich explodiert und wie
ein Berserker über die Toms jagt.
Zwischen den „Dance“-Nummern präsentiert das Tingvall Trio auch ganz neue Stücke – immerhin ist das aktuelle Album auch schon vor zwei Jahren herausgekommen, und die drei Ausnahmemusiker können
einfach nicht lange stillstehen. Die Arbeiten an der nächsten Veröffentlichung laufen bereits auf Hochtouren. Den Anfängen ihrer gemeinsamen Karriere huldigen Tingvall, Spiegel und Calvo dagegen
vor allem zu Beginn der zweiten Konzerthälfte, als sie unter anderem das emblematische „Vägen“ spielen. Mit diesem Stück begründeten sie ihren Ruf als Meister bildgewaltiger Melodien mit
Ohrwurm-Potenzial – so reduziert und strukturiert hat das Trio seitdem nicht mehr geklungen. Stattdessen lässt es vermehrt die Rock-Vergangenheit Spiegels durchstechen, der nur zu gerne Vollgas
gibt und dabei mitunter sogar ein bisschen zu laut wird. Egal. Das begeisterte Publikum lässt dem Trio nur zu bereitwillig Druck aufbauen, genießt das Auf und Ab der Musik, den Wechsel zwischen
Impulsen und Linien, zwischen Kraft und Eleganz. Am Ende dann tosender Applaus, und zwar zu recht. Ja, es ist wirklich alles so wie immer.
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