Unter seinem eigenen Namen hat Russ Ballard nie einen Top-Ten-Hit gelandet – und dennoch ist der britische Musiker verantwortlich für so manchen Erfolg. Der 77-Jährige, der zumindest auf der Bühne zwei Dekaden jünger wirkt, ist ein begnadeter Songschreiber und Komponist, aber in der Regel für andere Künstler, und zwar für so einige Hochkaräter. The-Who-Sänger Roger Daltrey, Santana, Hot Chocolate, America und Rainbow gehören zu jenen, die Ballards Titel aufnahmen, darunter Klassiker wie „Since You've Been Gone“ und „So You Win Again“. In der Harmonie schöpft Ballard nun aus dem Vollen und beweist, dass er „seine“ Songs mindestens genau so gut performen kann wie seine „Kunden“. Was ganz großes Kino bedeutet.
Tatsächlich ist es verwunderlich, dass Ballard nur während seiner Zeit als Frontmann der Band Argent („God Gave Rock 'n' Roll To You“) als starker Sänger und Gitarrist wahrgenommen wurde und ab Mitte der 70er Jahre zunehmend in der Versenkung verschwand. Dabei hat er nie nachgelassen, auch in fortgeschrittenem Alter nicht: In Endenich ist der Sound auf jeden Fall herrlich knackig, direkt, fast schon grell. Zugegeben, vielleicht sitzt nicht jeder Ton, aber dafür weiß der sympathische Brite mit Leidenschaft zu überzeugen und mit einem Sound, der ein wenig nostalgisch an die frühen Jahren der Hardrock-Ära erinnert und doch zugleich nicht anachronistisch wirkt. Dazu kommen Country-, Soul- und sogar Punk-Titel, stilecht und zugleich unverkennbar aus ein und der selben Feder, gerne mit pulsierenden Drum-Grooves und klirrenden, kraftvollen Soli. „Eigentlich habe ich die Stücke alle für mich selbst geschrieben“, gesteht Ballard, „aber irgendwie waren immer andere schneller oder erfolgreicher mit den Aufnahmen als ich.“ Ein Schicksal, mit dem er seinen Frieden gemacht zu haben scheint. Und das Publikum auch. „Seid ihr bereit, die Lieder anderer Leute zu hören?“, fragt Ballard mehrfach. Als ob ein „Nein“ je eine Option wäre...
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Genüsslich spielen Ballard und seine Band die ganzen großen und kleinen Hits, die eigenen (die gibt es auch, so wie das später von Ace Frehley adaptierte „In the Night“ oder auch „Voices“) und die anderen, mal in Form eines Medleys und mal etwas ausgedehnter. „I Surrender“ – ebenso wie „Since You've Been Gone“ ein großer Erfolg für Rainbow – ist einfach stark, ebenso wie das hypnotische „My Time Is Gonna Come“. Das Publikum genießt diese Zeitreise sowie das authentische, energetische Spiel, bejubelt die eingängigen Hooklines und den rockenden Herzschlag und merkt schnell, dass Russ Ballard einige ganz besondere Schätzchen dann doch für sich behalten hat. So wie „The Fire Still Burns“, eine Nummer, die für den gesamten Abend emblematisch ist. Ja, das Feuer brennt noch. Schon das ist aller Ehren wert.
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