Oh je und Ach, was geht es und schlecht. Alles geht den Bach runter, die Welt zerfällt und im Schlaraffenland namens Deutschland werden die Dinkelbrötchen rar. Schlimmer geht’s nimmer. Obwohl – doch. Und gerade deshalb kann und muss Wilfried Schmickler sich auch über so manche Befindlichkeiten ärgern und sie mit der ihm eigenen satirischen Schärfe kommentieren, so wie am Halloween-Abend im Pantheon. Denn eigentlich steht die Bundesrepublik noch gut da, jetzt, am Anfang vom Ende des goldenen Zeitalters des Konsums und des unbegrenzten Wachstums. So lange sich die Menschen lediglich über das Programm der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender aufregen, über Plagiate und Abschreibungen und über die Unterschiede zwischen Jammer-Ossis und Besser-Wessis, so lange ist Panik unangebracht.
Gleichzeitig soll dies nicht heißen, dass wir uns keine Sorgen machen sollten. Immerhin spüren auch wir den Klimawandel, sind betroffen von der volatilen geopolitischen Lage und von sozialen
Verwerfungen, die hierzulande deutlich werden und die adressiert werden müssen, bevor sie vollends aus dem Ruder laufen. Wenn manche Menschen sich entscheiden müssen zwischen einer warmen Wohnung
und einer warmen Mahlzeit, ist das ein Skandal, und selbst wenn wir in einem modernen Schlaraffenland leben, hängt für diese unteren Schichten das Hungertuch bereits auf Halbmast. Das darf doch
nicht wahr sein. Hier setzt Schmickler an, bei den Verunsicherern und den Lügenbaronen, bei den Spaltern und den Unanständigen, die sich lautstark in allen Medien über die vermeintliche
Coronadiktatur aufregen. „Diese Leute sollten sich schämen angesichts des Muts der russischen Journalistin Marina Owsjannikowa, die im Fernsehen vor der Propaganda des Kreml warnte und dafür vor
Gericht gestellt wurde“, sagt er. „Das ist eine Diktatur.“
Ohnehin reagiert Schmickler allergisch auf die ganzen postfaktischen Störfeuerteufel, die die aktuelle Stimmung im Land für ihre perfiden Zwecke ausnutzen. Dabei ist es sekundär, ob die AfD die
Bürgerinnen und Bürger im Osten aufwiegelt oder ob der „Scheinriese“ Friedrich Merz und der „Schrumpftitan im Größenwahn“ Christian Lindner ihre Giftpfeile abschießen. Tragisch ist in allen
Fällen, dass die Menschen ihnen glauben und ihnen die besten Absichten unterstellen. Das kann Schimckler so nicht stehen lassen, auch wenn es für ihn einem Kampf gegen Windmühlen gleichkommt.
Zumindest im Pantheon findet er jedoch Unterstützung für sein quixotisches Vorhaben. Hier ist er Mensch, hier darf er sein, hier darf er schimpfen und streiten und wüten und mahnen. Was er denn
auch ausgiebig tut.
Wie üblich greift Wilfried Schmickler dabei auf sein enormes Arsenal an rhetorischen und poetischen Mitteln zurück, auf lautstarke Polemiken gegen verschiedene aktive und ehemalige Mitglieder des
Bundestags, auf scharfsinnige Analysen, auf ein ganzes Füllhorn aus Bildern, Vergleichen und Metaphern sowie auf lyrische Ergüsse in allerlei Form. Ja, Reime sind die Leidenschaft des
67-Jährigen, ob in Gedicht- oder in Liedform, und auch wenn die Form mitunter über den Inhalt triumphiert, ist Schmickler doch in der Regel ein brillanter Poet, der sämtlichen Liedermachern der
Bundesrepublik ein ums andere Mal zeigt, wie man politische Haltung und musikalisches Können zusammenbringen kann. Dieses Talent ist es auch, das Schmickler von allen anderen Kabarettisten
abhebt, diese Verbindung von politischem Sachverstand und literarischem Können, die es in dieser Form kein zweites Mal gibt. Beides wird gerade in diesen Zeiten mehr gebraucht denn je.
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