Reichtum oder Niedergang? Beides kann ein Bergmann unter Tage finden. Dort, wo kein Sonnenlicht hinfällt und das Leben anders verläuft, warten immerhin immense Schätze, Silber, Gold, Kupfer, Edelsteine. Und der Tod. Vor allem die Romantiker haben sich mit dieser besonderen Beziehung zwischen dem Streben nach materiellem Glück und der ständig lauernden Gefahr im Dunkeln auseinandergesetzt, so auch E.T.A. Hoffmann in „Die Bergwerke von Falun“. Jetzt haben Matthias Brandt und Jens Thomas diese Erzählung auf ihre unnachahmlich intensive Weise im Rahmen von „Quatsch keine Oper“ auf die Bühne gebracht.
Brandt und Thomas sind schon ein ganz besonderes Gespann: Der geerdete, ruhige, tiefsinnige Schauspieler, der jeden Text zum Leben erwecken kann und die Magie der Sprache entfesselt, und der
exaltierte Pianist, bei dem Genie und Wahnsinn wie so oft ganz eng beieinander sind, sind schon seit acht Jahren eine feste Größe in der Bonner Oper. Die beiden haben die Vorlagen zu Alfred
Hitchcocks Meisterwerken „Psycho“ und „Die Vögel“ ebenso adaptiert wie die Krankenakte von Robert Schumann; und stets haben sie das Publikum berührt, haben es schaudern, beben und mitfühlen
lassen, es eingefangen mit der Macht des Wortes und des Klanges, mit dem gefühlvollen Vortrag Brandts und dem Zischen und Jaulen und Schnattern und Stöhnen und Flirren und Klirren und Klimpern
und Tönen von Jens Thomas. Eine bessere Lesung kann man in Deutschland derzeit nicht erleben, und so ist es kein Wunder, dass auch bei „Die Bergwerke von Falun“ die Oper ausverkauft ist. Erneut
webt Brandt ein eindringliches Narrativ, die antiquierte Sprache Hoffmanns mühelos aufgreifend und ihre Qualität geschickt herausarbeitend. Er erzählt von dem jungen Seemann Elis Fröbom, der von
einem alten Bergmann dazu gedrängt wird, nach Falun zu gehen und sein Glück unter der Erde statt auf dem Meer zu suchen. In der Stadt angekommen, verliebt Elis sich in Ulla, die Tochter des
Minenbesitzers Pehrson Dahlsjö. Er wird daher ein Kumpel und bald auch der Verlobte von Ulla. Doch am Tag der Hochzeit siegt die Anziehungskraft des Berges: Bei dem Versuch, einen besonderen
Edelstein für seine Braut zu finden, stirbt Elis bei einem Einsturz. 50 Jahre später wird sein mumifizierter Leichnam geborgen; eine alte Frau identifiziert ihn als ihren Bräutigam und stirbt,
während Elis' Körper zu Staub zerfällt. Beide werden in jener Kirche beigesetzt, in der sie heiraten wollen.
Während Matthias Brandt dieser Erzählung, die übrigens auf einer wahren Begebenheit beruht und neben E.T.A. Hoffmann noch andere Autoren der Romantik inspiriert hat, mit der ihm eigenen Ruhe
Leben einhaucht, tobt sich Jens Thomas an den Tasten aus und schafft so die Filmmusik zu dem von Brandt angeregten Kopfkino. Dabei übertönt er jedoch nie den Text, lässt den Wahn nie völlig von
der Leine und setzt einen brillanten Akzent nach dem anderen. Ab und zu darf er aber noch mehr machen und untermalt die Geschichte mit eigenwilligen, aber doch irgendwie passenden Arrangements
von Neil-Young-Songs. Das Publikum ist denn auch begeistert und feiert sowohl Brandt als auch Thomas nach knapp 90 Minuten mit tosendem Applaus.
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Bruni (Montag, 29 Mai 2023 22:24)
Es war wiedermal eine tolle Inszenierung. Das Kopfkino klappt 100 prozentig. Großartig die beiden Akteure in ihrem Zusammenspiel.