Helge Schneider: Katzenmusik vom Blödel-Jazzer

Ein bisschen Spaß muss sein. Irgendwie muss man ja mit all den Krisen klarkommen, die derzeit die Welt erschüttern, und gerade jetzt, gut ein Jahr nach der Flutkatastrophe an der Ahr und der wachsenden Realisierung, dass der Wiederaufbau noch sehr lange dauern könnte, ist diese Herausforderung immens. Also ist Starthilfe gefragt, um den Krisenmodus zumindest für ein Wochenende hinter sich lassen zu können, und wer könnte den Ernst des Alltags besser dekonstruieren als Helge Schneider, der Virtuose des Unsinns und König des spontanen Klamauks? Im Rahmen des Benefiz-Wochenendes „WeAhrFamily 2022“ steht der 67-jährige Blödel-Jazzer im Kurpark von Bad Breisig auf einer Open-Air-Bühne und macht dem unbeständigen Wetter zum Trotz das, was er am besten kann, nämlich Quatsch. Und Musik. Gute Musik.

Helge Schneider gehört zu jenen Künstlern, die gerne verkannt werden, die anecken mit ihrem brachialen Nonsens und die dann schnell in einer der unteren Schubladen verschwinden, weil Lieder wie „Katzenklo“ schlichtweg zu banal wirken. Dabei verbirgt sich hinter dem Image des liebenswerten Chaoten und Humor-Dilettanten ein erstaunlicher Multi-Instrumentalist und versierter Jazz-Pianist, der sich sowohl musikalisch als auch textlich einfach treiben lässt und dabei immer wieder den richtigen Tonfall findet. Nahezu alles, was Schneider macht, ist improvisiert, das Produkt eines regen Geistes, in dem Genie und Wahnsinn nicht nur sprichwörtlich eng zusammenwohnen. Auch in Bad Breisig liebt er das Spiel mit Versatzstücken und unerwarteten Einfällen, angefangen bei Klassikern wie der „Wurstfachverkäuferin“, dem „Telefonmann“ und dem „Meisenmann“ – letzteren darf übrigens Profi-Hupfdohle Sergej Gleithmann verkörpern, der beliebte Zausel im hautengen schwarzen (und nicht sonderlich vorteilhaften) Ganzkörperanzug, der sich an diesem Abend nicht nur als Ausdruckstänzer, sondern auch als Tee-Diener zum Affen machen muss. Seine skurrilen Bewegungen sind das visuelle Äquivalent zu Schneiders verbalem Dadaismus, vollkommen sinnbefreit und vielleicht gerade deshalb so populär. Als Gleithmann dann auch noch eine Geige malträtiert und die Katzenmusik (natürlich bei „Katzenklo“) auf ein neues Niveau absenkt, ist aus akustischer Sicht der Tiefpunkt befreit – das Publikum jubelt jedoch und genießt die strukturelle und intellektuelle Dekonstruktion des Jazz, den Schneider ansonsten so liebevoll pflegt. Nur so nebenbei: In den USA werden Jazz-Musiker seit den 50er Jahren gerne als „Cats“ bezeichnet.

Natürlich gehört all das zum Konzept, ist die Absenkung des Niveaus ebenso sehr Schein wie Sein. Immer wieder kann man hinter dem Nonsens den Jazz entdecken, so wie zum Beispiel hinter dem „Käsebrot“ den Glenn-Miller-Klassiker „In the Mood“. Und spätestens dann, wenn Helge schweigt und zusammen mit seinem Gitarristen Sandro Giampietro einfach nur spielt, wird diese Beziehung für alle offensichtlich. Geschickt werfen sich die beiden die Bälle zu, jonglieren auch mal mit Country- oder Latin-Motiven, widmen sich ausgiebig dem Swing und sorgen so für einen schönen, wenn auch mit einer guten Stunde etwas kurzen Abschluss eines verregneten, aber dennoch gut besuchten Festival-Tages im Kurpark. Zuvor hatten schon die Räuber, die Cover-Band Yellow Snow sowie der Stand-Up-Comedian Markus Barth für Stimmung gesorgt.

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