Axel Prahl: Mehr als nur Meer

Es ist ein Abend der Jubiläen: Vor 20 Jahren begannen die Planungen für die erste Spielzeit von „Quatsch keine Oper“ in Bonn, im selben Jahr, in dem das „Tatort“-Ermittler-Duo Thiel und Börne in Münster ihren ersten Fall bearbeiteten und zu Publikums-Lieblingen wurden. Und vor zehn Jahren – oder etwas mehr, wer nimmt es seit Corona mit solchen Daten schon zu genau – trat Axel Prahl erstmals mit seinem Insel-Orchester auf und machte aus einer Schnapsidee sein zweites Standbein. Jetzt ist der 62-jährige Schauspieler erneut zu Gast in der Bundesstadt, mit dem Besten aus seinem ersten und dem Meisten aus seinem zweiten Album, mit Shanty und Tango, mit Rock und Liedermachertum, mit Märchen und Moritaten und mit allerlei norddeutsch knarzendem Charme.

Dabei klingt Prahl noch ein bisschen rauer als sonst, Folge einer leichten Erkältung, dank der er mitunter ein wenig an Tom Waits erinnert, vor allem wenn er und seine Musikerkollegen es mit der Intonation ganz bewusst nicht so genau nehmen. Ist nicht schlimm, passt sogar ganz gut zum maritimen Ansatz des Sängers, der sich nur zu gerne von seiner ostholsteinischen Heimat inspirieren lässt, Märchen vom Fischer und seiner Frau in bester Achim-Reichel-Manier interpretiert und die wilden Wellen auf dem Wasser tanzen lässt. Für sein zweites Album „Mehr“, das er 2018 veröffentlicht und wegen der Pandemie trotzdem nur selten live gespielt hat, hat er sich zudem mit vielen anderen Stilen auseinandergesetzt, mit der Moritat („Herr Neugier und Frau Moral“) etwa oder lateinamerikanischen Rhythmen (Besinn dich“), deren Feuer sehr gut mit norddeutschen Texten harmoniert, zumindest wenn diese so gefühlvoll geschrieben werden wie von Axel Prahl. Denn natürlich verharrt der Schauspieler und Sänger nicht nur beim Meer, sondern widmet sich auch der Liebe, erweist sich aller gespielten Sprödigkeit zum Trotz doch als unverbesserlicher Romantiker, der unter anderem seiner Frau ein Lied geschrieben hat. Allerdings eines, das es in sich hat, das die Nähe zum Funk sucht und gerade deshalb ein wenig darunter leidet, dass im Insel-Orchester zwar drei Streicher, aber kein einziger Blechbläser zu finden ist.

Gleichzeitig erweist sich Axel Prahl auch als scharfsinniger Beobachter der Gegenwart, der das ein oder andere Mal nicht an sich halten kann und lautstark vor dem dicken Ende der Finanzkrise warnt oder sich über das politische Bla Bla aufregt, mit dem sich jede noch so abstruse Richtungsänderung irgendwie rechtfertigen lässt. In diesen Momenten schwankt Prahl lyrisch zwischen Reinhard Mey und Konstantin Wecker, mit der Bildhaftigkeit des ersteren und der Vehemenz des letzteren. Jetzt müsste die Band nur noch mitgehen, doch die ist insbesondere an diesen Stellen noch etwas zu brav, trotz der eigentlich geschickten und durchaus furiosen Arrangements. Hier geht noch mehr: Vor allem Drummer Nicolai Ziel und Bassist Tom Baumgarten könnten durchaus stärker nach vorne drängen, um jenen Drive zu erzeugen, ohne den der ein oder andere Song ein bisschen träger wirkt als nötig. Andererseits wird sich dies sicherlich mit der Zeit einschleifen, wenn die pandemische Spielpause endgültig der Vergangenheit angehört. Das Publikum in der leider nur halb gefüllten Oper ist auf jeden Fall begeistert und feiert den gezwungenermaßen grummelnden Prahl mit den blitzenden Augen und seine neun Band-Kollegen zu Recht für ein erfreulich abwechslungsreiches und unterhaltsames Konzert.

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