Daniel Karlsson Trio: „Wir sind uns oft selbst voraus“

Improvisation als Basis einer Komposition: Im Jazz ist das nicht unüblich. Dass dieser Schöpfungsprozess allerdings auf der Bühne stattfindet, live und ungeschnitten, ist selbst in den experimentierfreudigsten musikalischen Spielarten eine Seltenheit. Daniel Karlsson jedoch zieht gerade aus diesem besonderen Spannungsfeld zwischen einem neugierigen Publikum und einem ebenso wendigen wie mutigen Trio seine Kraft. „Wir versuchen immer, uns selbst voraus zu sein“, gesteht der schwedische Pianist in der Harmonie. „Oft spielen wir deswegen Stücke, die bislang noch gar nicht existieren, zumindest nicht auf einem Album.“ Stücke, die noch in der Entwicklung begriffen sind, unkodifiziert und somit amorph, fluide, formbar. Um diese Freiheit auszukosten, bedarf es allerdings dreier Musiker, die sich blind verstehen – und Zuhörern, die sich auf diesen Findungsprozess einlassen.

Mit dem Auftritt des Daniel Karlsson Trios beginnt die neue Konzertsaison in der Harmonie; gleichzeitig ist er Bestandteil des Beethovenfests und steht exemplarisch für den Crossover-Gedanken, der in der Programmatik von Intendant Steven Walter eine besondere Rolle spielt. Denn tatsächlich lässt sich Karlsson, einer der etabliertesten Pianisten aus dem Norden Europas, immer wieder von der Klassik inspirieren, während er mit lyrischem Ton über die Tasten tanzt. Einmal nimmt er gar eines Beethoven-Rondos an, um daraus zusammen mit Bassist Christian Spering und Drummer Fredrik Rundqvist einen eigenen poetischen Ansatz zu entwickeln.

 

Dabei kann das Trio auch anders. Insbesondere zu Beginn des Abends entfernen sich die drei Musiker mitunter sehr weit von einander, verweigern sich kollektiven Melodien oder Rhythmen, spielen ganz für sich. Das ist nicht immer leichte Kost, auch wenn weder Rundqvist noch Spering oder Karlsson je völlig in die Tiefen des Free Jazz abtauchen. Im späteren Verlauf wird das Trio aber weitaus konziser, strukturierter, klarer, mit zarten und auch mit furiosen Passagen, mit druckvollen Drums, einem oft die Führungsrolle übernehmenden Bass und mit Ausflügen bis zu einem Café in der moldawischen Hauptstadt Chișinău. Manches davon ist komponiert, anderes entsteht erst en passant, die Grenzen dazwischen sind fließend. Was eigentlich auch der größte Reiz dieses bemerkenswerten Konzertes ist, indem es einen Blick in eine mögliche Zukunft gewährt, auf Stücke, die so oder so ähnlich nicht nur im Moment existieren, sondern zumindest potenziell auch darüber hinaus. Spannender kann Jazz kaum sein.

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