Robbie Williams: Mister Fantastic

Größe ist oft nur eine Frage der Perspektive. Rund 25.000 Menschen haben sich an diesem Dienstagabend auf der Hofgartenwiese versammelt, eine gigantische Menge für ein Konzert in Bonn – für Robbie Williams, einen der erfolgreichsten Entertainer seiner Zeit, sind das allerdings geradezu überschaubare, heimelige Dimensionen. Erst vor einigen Tagen hat er auf dem Messegelände in München vor rekordverdächtigen 90.000 gespielt, so wie sich das für einen Superstar seines Formats gehört, und einst stand er sogar auf noch größeren Bühnen. Zwar liegen die größten Erfolge seit fast 20 Jahren hinter ihm, als Robbie mit „I've been expecting you“, „Swing when you're winning“ und „Escapology“ ein geniales Album nach dem nächsten veröffentlichte, doch sein Status als Pop-Legende ist immer noch ungebrochen, seine Fan-Basis riesig, der Andrang immens. Das ist nicht selbstverständlich, und der 48-Jährige weiß das. Auch wenn der Auftritt in der Beethovenstadt im Vergleich zu dem in München nur eine kleine Nummer sein mag, gibt Robbie aus genau diesem Grund knapp zwei Stunden lang alles, rockt und tanzt, strahlt und leidet, sich am Jubel der Menge ergötzend und zugleich immer wieder um Anerkennung bettelnd. Beides bekommt er. Und zwar zu Recht.

An Selbstvertrauen mangelt es Robbie Williams an diesem Abend nicht. „Ich hoffe, ihr seid gut drauf, denn ich werde heute phänomenal sein“, ruft er gleich zu Beginn des Konzerts und macht sich in den folgenden anderthalb Stunden daran, diesen Worten Taten folgen zu lassen. „Let Me Entertain You“ ist einmal mehr sein Motto, und mit „Land of Thousand Dances“ zeigt Robbie sogleich, was er darunter versteht: Ein leidenschaftliches Spiel mit der Musik, mit teils skurrilen Choreographien, Performance im Dienst des Liedes und im Auftrag seines Publikums. Crowd Pleasing in Perfektion. Ob er nun mit einer T-Shirt-Kanone Werbegeschenke in die Menge pfeffert oder bei „Something Stupid“ Geburtstagskind Anna auf die Bühne holt, um sich ihr vor allen Augen an den Hals zu werfen und ihr stellvertretend für alle Fans da draußen seine Liebe zu gestehen, stets gibt sich Robbie als Showman. Dabei muss er noch nicht einmal so aufgekratzt wirken, kann auch mal einen Gang runterschalten, so wie bei „Come Undone“ oder bei dem Titellied der bald kommenden Filmbiographie „Better Man“ (übernommen vom „Sing When You're Winning“-Album) , zumal sich der Superstar in Bonn sichtlich wohl zu fühlen scheint. Ja, auch in München suchte er immer wieder den Kontakt zum Publikum und ging auf dem niedrigen Catwalk gerne mal auf Augenhöhe mit den Besucherinnen und Besuchern, aber auf der Hofgartenwiese wirkt er dabei irgendwie ehrlicher, authentischer. Zumal er offenbar diesmal auch auf eine Überdosis an Minzbonbons zur Bekämpfung der Nikotinsucht verzichtet hat und daher nicht hinter das Schlagzeug kotzen musste.

Ein Manko gibt es allerdings doch: Neues Material ist an diesem Abend Mangelware. Seit 2016 hat Robbie Williams kein Album mehr veröffentlicht, und auch die nächste Woche erscheinende „XXV“ ist in erster Linie ein Best-of-Album mit den großen Hits in einer Orchesterfassung. Immerhin hat er für die Re-Interpretation von „Angel“ auf jene Künstliche Intelligenz zurückgegriffen, die zuletzt Beethovens 10. Sinfonie vollendet hat, womit sich der Bogen zu Bonn schließt. Immerhin hat er aber „Lost“ im Gepäck, eine neue Nummer mit alter Botschaft: Anschließend an „Feel“ und andere melancholische Balladen singt Robbie auch hier von seinen Komplexen, von seiner Einsamkeit und seinen Depressionen, zu denen er sich erst vor kurzem bei einer Rede in St. Tropez öffentlich bekannt hat. Ein eindringliches Stück, das auch in der Bundesstadt gefeiert wird, obwohl der 48-Jährige gerade hier nicht allein ist. Er hat schließlich seine starke Band, seine Backgoundsängerinnen, seine Fans – und seine Familie, die anderenorts auf ihn wartet und zu der er, das betont Robbie explizit, noch in der Nacht zurückfahren wird. Das ist ein großes Glück, und weniger hat Robbie Williams, der fantastische, phänomenale Entertainer, nicht verdient.

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