Fanta 4: Schnelldurchlauf durch 30 Jahre Hip Hop

Das Chaos ist ausgeblieben. Zumindest am Freitag. In der Bonner Innenstadt droht an diesem Wochenende nicht zuletzt wegen der Hofgartenkonzerte Ausnahmezustand – aber beim Eröffnungsabend war die Situation noch recht entspannt, und für die rund 14.000 Menschen, die sich vor der Bühne und in Richtung des ehemaligen kurfürstlichen Schlosses versammelt haben, ist die Show der Fantastischen Vier den Preis ohnehin wert. Immerhin bilden Smudo, Thomas D., Michi Beck und And.Ypsilon seit mehr als 30 Jahren DIE Institution in Sachen deutscher Hip Hop, und ihre Leidenschaft und ihr Händchen für die eigene Inszenierung hat das Quartett in all der Zeit nicht verloren. „Nun, da sich der Vorhang der Nacht von der Bühne hebt“, wie es im Intro zu „MfG“ gleich zu Beginn heißt, legen die Fantas los. Und alles wird gut. Bis zu einem Unglück während der Zugaben.

Eigentlich hätten die Fantas ja ebenso wie Kraftwerk und Robbie Williams schon zum Beethoven-Jubiläum 2020 auf der Hofgartenwiese auftreten sollen, doch dem hat Corona bekanntermaßen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Umso größer ist die Freude, dass die Konzerte nun allesamt stattfinden können und noch um das von Deichkind am Samstag ergänzt wurden. Nun wird das viertägige Spektakel angemessen eröffnet: „Aller Anfang ist Yeah“, singen die Fantas optimistisch, und die Menge explodiert, springt, jubelt, johlt. Was folgt, ist ein rasanter Auszug aus drei Jahrzehnten voller Hip-Hop-Hits mit dem ein oder anderen Ausflug in Richtung Pop, Latin und Rock, vom „Picknicker“ über den „Tag am Meer“ und „Sie ist weg“ bis hin zu „Die da?!“ von 1982, jenem ersten deutschen Rap-Titel, der es überhaupt in die Charts schaffte und der den Fantas den Durchbruch ermöglichte. Der ein oder andere populäre Titel fehlt leider trotzdem, etwa „Buenos Dias Messias“ oder „Lass die Sonne rein“, doch für ein wirklich umfassendes Best-of-Konzert hätte die Band halt mindestens eine Stunde früher anfangen müssen – und da heizte bereits Flo Mega der Menge ein. Auch so ist das Publikum euphorisiert, amüsiert sich über Helium-geschwängerte Nummern wie "Pipis und Popos" (mit kleiner "Rage against the Machine"-Verbeugung), schwelgt mitunter in Erinnerungen oder erfreut sich einfach an der exzellenten Inszenierung. Die Fantas zeigen nur zu gerne, dass sie noch so fit sind wie früher, und als Thomas D bei „Krieger“ kurzerhand sein T-Shirt auszieht, ist das nur das Ausrufezeichen eines ohnehin wahrheitsgetreuen musikalischen Statements.

Es ist insofern nicht überraschend, dass die Fantastischen Vier keine Anzeichen machen, ihre Karrieren zu beenden. Wozu auch: Gemeinsam feiern sie weiterhin Erfolge, parallel dazu verfolgt jeder seine eigenen Projekte. Die Möglichkeiten der digitalen Welt umarmt das Quartett nur zu gern, etwa mit ihrer neuen virtuellen Spielwiese „FantiTown“. Und doch kann nichts die Live-Konzerte ersetzen, die den Fantas durch die Pandemie noch einmal wichtiger geworden sind. „Sinnstiftend“ sei so ein Auftritt, haben sie erst vor kurzem in einem Interview gesagt, und diese Attitüde spürt man auch in Bonn. "Wir können von Glück reden, dass wir heute hier sein dürfen", betont Smudo. Doch ausgerechnet er sollte kurz darauf Pech haben: Im Zugabenteil stürzte der 54-Jährige bei einem Sprung unglücklich und riss sich eine Kniesehne. Die Veranstaltung musste daraufhin vorzeitig abgebrochen, ein Konzert in Osnabrück abgesagt werden.

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