Jan Delay: Heißer Scheiß

Deutschland muss sparen, heißt es aus der Politik, neuerdings vor allem beim Heizen. Mit gesenkten Thermostaten geht es gegen Putin, das wird man ja wohl noch aushalten. Mit Jan Delay ist das kein Problem: Wo immer der 46-Jährige zusammen mit seiner Band Disco No. 1 aufspielt, steigen die Temperaturen ganz von allein. So jetzt auch im Palladium in Köln, wo der „Beginner“ das Publikum innerhalb von Sekunden zum Schwitzen bringt. „Es ist heiß, es ist sehr sehr heiß“, sagt Delay gleich zu Anfang, während er mit Karacho mitten in die Hits seines aktuellen Albums „Earth, Wind & Feiern“ brettert – und dann genüsslich den Nachbrenner zündet.

Völlig egal, wie man zu Jan Delay steht, dürfte doch zumindest unumstritten sein, dass er einer der besten Live-Acts des Landes ist. Nicht ohne Grund gibt er gleich zwei nahezu ausverkaufte Konzerte in der Domstadt, bei denen der erste Höhepunkt – „Klar“ – direkt nach dem knackigen Intro kommt und die Menge derart elektrisiert, dass sie mühelos zwei Stunden durchtanzt. „Wir bringen den Scheiß hier zum Kochen“, heißt es da. Glasklar. Dafür sorgt schon die Band, die keine Wünsche offen lässt und mit messerscharfen Bläser-Einsätzen und treibendem Groove überzeugt, während Delay gewohnt näselnd über die Bühne tanzt, mit seinen Background-Sängerinnen schäkert und das Publikum permanent mit einbezieht, es singen, tanzen und einfrieren lässt. Das Jackett seines gewohnten Bühnenanzugs landet angesichts dieses Tempos derweil innerhalb kürzester Zeit an einem Haken; der strenge Dresscode früherer Jahre ist ohnehin passé, zumal der Meister des Hip-Hop-Reggae-Funk-Pops derartige Äußerlichkeiten nicht mehr nötig hat. Feiern kann er auch leger. Stimmung machen ohnehin.

Dabei rast Jan Delay im Palladium nicht immer mit Tempo 180 durch die Takte. Ab einem gewissen Level eines eigens mitgebrachten und speziell geeichten Thermometers ist vielmehr offizielle Reggae-Zeit. Für Delay schließt sich damit ein Kreis, hat er doch einst auf seinem Debütalbum „Searching for Jan Soul Rebels“ mit den Sounds Jamaikas angefangen und sich erst danach auf die Suche nach neuen Ufern gemacht. Nun ist er wieder am Ausgangspunkt angekommen, musikalisch und auch textlich gereift, aber gleichzeitig cool genug, um ein paar entspannte Nummern ins Konzert einzubauen, ohne die Spannung zur Bruchlandung zu zwingen. Natürlich greift er dabei auf sein uraltes Nena-Cover „Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann“ zurück, das noch nie besser geklungen hat; dann aber kommen die neuen Stücke wie „Wassermann“, oder – mit etwas mehr Drive – die Ska-Nummer „King“ und „Saxofon“. Bei „Zurück“ legt Jan Delay sogar eine waschechte Salsa aufs Parkett, die vor allem dank eines exzellenten Instrumental-Parts eine der schönsten Überraschungen ist.

Natürlich kommt Jan Delay trotzdem nicht an den Klassikern vorbei, an „Oh Jonny“ oder an „Disko“ mit dem eindeutigen „Earth, Wind & Fire“-Bezug. Bei letzterem schwächeln allerdings die sonst so souveränen Backgroundsängerinnen, ziehen die Töne wie Kaugummi und bremsen das Stück unnötig aus. Egal, das Publikum freut sich trotzdem und geht selbst bei „Action“, Delays zum Glück einzigem Ausflug in die Zeit seines verunglückten Rock-Albums „Hammer & Michel“, noch richtig gut mit. Das Fan-Universum ist ohnehin erstaunlich vielschichtig, vom Alt-Metaller bis zum Party-Teenager ist so ziemlich jede Generation vertreten. Auch das spricht für Jan Delay, der sich samt Band zwei Stunden lang verausgabt und am Ende klatschnass, aber strahlend am Bühnenrand steht. Ein heißer Abend, keine Frage. Und ein erfolgreicher, für die Fans, für die Band und für die Katastrophenplaner. Letztere können immerhin ganz beruhigt sein: Mit so viel Lebensfreude kommt Deutschland problemlos durch jeden Winter.

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