Jürgen von der Lippe: Von Flatulenzen und Dönerfeen

Er hat sich kaum verändert: Das Hawaiihemd spannt vielleicht ein bisschen mehr als früher und die Haare sind etwas grauer, aber ansonsten erscheint Jürgen von der Lippe so, wie man ihn schon immer oder zumindest seit seiner „Geld oder Liebe“-Zeit kennt, mit diesem verschmitzten Grinsen, das aus dem Vollbart hervorlugt, dieser diebischen Freude über jede gelungene Pointe und dem Talent, immer wieder am Rand der Peinlichkeit zu balancieren und doch nicht zu fallen. Im nahezu ausverkauften Brückenforum wechselt der 74-Jährige mühelos zwischen Zoten und Infotainment, zwischen deftigem und niveauvollem Spaß – und hat das Publikum mit dieser Mischung meisterhaft im Griff.

Jürgen von der Lippe gehört nicht zu jenen, die sich den Mund verbieten lassen, schon gar nicht wegen irgendwelcher Befindlichkeiten. Wenn er über Sex oder den Toilettengang sprechen will, dann tut er das, gerne blumig („wenn die Bluthunde der Fleischeslust nur noch ganztägig vor dem Kamin dösen“), mitunter aber auch überaus direkt. Im Publikum stört das niemanden, ganz im Gegenteil, zumal von der Lippe zwar gerne ordinär wird, aber nie ordinär bleibt. Er weiß ganz genau, wie weit er es treiben darf, kokettiert mit dem schlechten Geschmack und vollzieht immer zum richtigen Zeitpunkt die Kehrtwende; von ihm könnte noch so mancher aufstrebende Stand-Up-Comedian eine Menge lernen. Die Themen sind dabei nicht weiter überraschend: Er spricht über das Alter, über Generationenkonflikte, über Flatulenz und über die Liebe, letztlich eben über alles, was einen älteren weißen deutschen Mann so interessiert. Das übliche eben. Und doch versteht es Jürgen von der Lippe dank seines Guter-Onkel-Charmes, eben jenes übliche neu und frisch erscheinen zu lassen. Er kommentiert die Jugendsprache, spricht über Dönerfeen und Happyfanten, über pupsende Heringe  und die positiven Aspekte von Alkohol und hat dabei stets die Lacher auf seiner Seite.

Die Begeisterung, die Jürgen von der Lippe entgegenschlägt, entspringt allerdings nicht nur ausschließlich seinem Witz, sondern auch der Nostalgie der Fans, die ihn als Moderator von verschiedenen Kult-Sendungen lieben und schätzen gelernt hat; Nicht ohne Grund kommen ausgerechnet seine absurden Bilderstrecken gut an, die er angeblich noch aus der „Geld oder Liebe“-Ära stammen und die er nur zu gern auf einem XXXL-Monitor präsentiert. Auch die von ihm geschaffene Bühnenfigur Kalle, ein proletenhafter Berliner Rocker ohne Schamgefühl, wird freudestrahlend willkommen geheißen. Doch all das würde nicht funktionieren ohne die permanente Einbeziehung des Publikums, die von der Lippe anspricht, um Vorschläge beziehungsweise Antworten auf bestimmte Fragen bittet und so Teil der Show macht. Die Bonner spielen nur zu gerne mit und bringen teilweise sogar den erfahrenen Komiker aus der Fassung. Auf diese Weise vergehen zwei Stunden wie im Flug, bis sich die Menge am Ende mit tosendem Applaus bedankt.

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