Sarah Connor: Abschied vom Virus

Besser spät als nie: Mit einem Jahr Verspätung ist Sarah Connor erneut auf den Bonner KunstRasen gekommen, um von ihren Sorgen und von ihren Freuden zu singen, von Liebe und Schmerz und Kummer und Glückseligkeit - und um endlich Abschied zu nehmen von der Pandemie. "Bye, Bye“, trällert die 42-Jährige in Richtung des Corona-Virus, und das Publikum kann diese Aussage nur bestätigen. Die vergangenen zwei Jahre haben die deutsche Pop-Queen zurückgehalten, die sich auf Bühne und Catwalk mit Herzchen-Sonnenbrille, Beyonce-Kostüm und minutiöser Choreographie mehr denn je als Diva generiert; doch aufgeschoben ist auch für sie nicht aufgehoben.

Und so steht sie also an diesem Abend zum inzwischen dritten Mal in der Gronau vor (nach eigenen Angaben) 3000 Besuchern, präsentiert ihre „Herz Kraft Werke“, holt aber irgendwann auch wieder ein Medley alter englischsprachiger Kamellen heraus, von denen sie sich eigentlich längst abgenabelt hat und die doch ebenso zu ihrer Musik gehören wie die deutschen Songs, die sie inzwischen schreibt. Das Publikum will sie nun einmal hören – und das Publikum bekommt, was es verdient.

 

Ganz oben auf der Prioritätenliste steht natürlich eine gute Show, und wie schon in der Vergangenheit zeigt Sarah Connor eindrucksvoll, dass sie über jede Menge Feuer und eine bemerkenswerte stilistische Bandbreite verfügt. Mal nähert sie sich dem Hip Hop an, dann wieder dem Funk, zwischendurch wird noch ordentlich gerockt und AC/DC zitiert, alles mit einer Selbstverständlichkeit, die alles andere als selbstverständlich ist. Die Corona-Auszeit hat daran nichts geändert, hat höchstens verdeutlicht, wie sehr Connor die Bühne braucht. Singen, sagt sie selbst, sei ihre Katharsis, und Schreiben ihre Sucht. Die große Kunst des Wesentlichen hat sie allerdings noch nicht perfektioniert, rutscht immer wieder in Plattitüden ab oder in die so beliebten oh-oh-ooh-Schleifen des Pop-Wohlfühl-Mainstreams, musikalisch ebenso wie textlich.

 

Dem verklärten Publikum ist das egal. Sie lieben Sarah Connor nun einmal, für ihren Pathos, für ihre Gefühle, die sie auf der Zunge trägt, aber auch für ihre Authentizität, mit dem sie das Diven-Outfit vergessen lässt. Und das ein oder andere Stück überrascht dann doch positiv, etwa das zarte „Ich wünsch dir“ oder das pulsierende „Kommst du mit ihr“, die beide auf dem KunstRasen besonders gut zur Geltung kommen. Ein besonderer Moment ist auch der Auftritt von Tochter Summer Terenzi, die mit ihrer zarten, verletzlichen Teenager-Stimme einen reizvollen Kontrast zu ihrer Mutter mit dem kraftvollen Soul-Organ bietet. "Jetzt ist aber auch gut, ich will wieder", sagt letztere augenzwinkernd, bevor sie eine Reise zurück in ihre dunkle Vergangenheit wagt.

Dabei kann Sarah Connor sich einmal mehr auf eine starke Band und exzellente Background-Sängerinnen und -Sänger verlassen, und natürlich auf ihre springenden, klatschenden, jubelnden Fans, die sie nur zu gerne stimmlich unterstützen und denen sie gleich zu Anfang einen Besuch abstattet. Auch die Songs der aktuellen Platte sitzen bis ins kleinste Detail, der wahrscheinlich einzige Vorteil der Corona-Zeit. Connor nutzt das, sucht die Nähe zur Menge, genießt die fantastische Stimmung und das herrliche Wetter. So hat sie sich das vorgestellt, als sie in „Bye Bye“ die Pandemie verarbeitete. „Und dann feiern wir 'ne fette Party // Laden alle unsre Freunde ein // Steh'n extra ganz dicht beieinander // Und stoßen an aufs Zusammensein.“ In Bonn hat zumindest das schon einmal geklappt.

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