Nico Santos: Ein Star zum Anfassen

Ein Bad in der Menge muss schon sein: Gegen Ende seines Konzerts auf dem KunstRasen hat es Pop-Sänger Nico Santos auf der Bühne einfach nicht mehr ausgehalten. Der sympathische Musiker hat immer wieder den Kontakt zum Publikum gesucht, hat mit den rund 2500 meist jugendlichen Fans kommuniziert und interagiert, doch bei seinem Hit „Rooftop“ will er mehr machen, klettert kurzerhand zunächst in den Bühnengraben und dann weiter, bis auf Tuchfühlung. Der 29-Jährige, der ausgerechnet während der Corona-Krise seinen Durchbruch als Solo-Künstler feierte, will den Menschen eben nah sein und ihnen ein Lächeln aufs Gesicht zaubern. Mit seiner Gute-Laune-Musik zwischen Singer-Songwriting, Pop und Latin gelingt das erstaunlich gut, vor allem da diese zwar gefällig, aber nicht beliebig ist.

Obwohl Santos, Sohn des Schauspielers Egon Wellenbrink, erst seit kurzem solo unterwegs ist, weiß er ganz genau, was ankommt. Schon als Jugendlicher trat er auf spanischen Festivals auf und nebenher arbeitete er als Animateur; ab 2012 kooperierte er mit diversen Rappern, DJs und Hip-Hop-Produzenten. Doch mit dieser Art von Musik hat seine Solo-Karriere nur bedingt zu tun, abgesehen vielleicht von dem feinen Gespür für Arrangements und Stimmungen. Anders sieht es mit seinen Tätigkeiten als Songwriter aus. Bislang war er nicht nur für Bushido, Capital Bra und Sido tätig, sondern auch für Lena Mayer-Landrut und Mark Forster, was schon eher zu seinem jetzigen Stil passt: Bunt, vielfältig, eingängig und vor allem gut gemacht. Ja, manches klingt vorhersehbar, zusammengebastelt aus gängigen Pop-Schablonen, aber auch dann findet Santos meistens einen Dreh, um daraus mehr zu machen. Vor allem live.

Hinzu kommt, dass Nico Santos ein begnadeter, charismatischer Performer ist, der sich mitunter selbst nicht ganz so ernst nimmt und auch mal geschickt mit Rock- und Pop-Klischees spielt, Boygroup-Choreographien („Wild Bird“) einbaut oder die Musik an seinen Posen ausrichten lässt, nur um dann wieder alles runterzufahren und allein am Klavier („Walk in your shoes“) oder nur mit seinem Gitarristen auf dem Bühnenrand sitzend (Michael Jacksons „Man in the Mirror“) in gefühlvolle Balladen einzutauchen. Besonders schön ist zudem jener Moment bei „End of Summer“, in dem er sich mit seiner kompletten Band auf den Bühnenboden setzt und ein kleines bisschen Lagerfeuerromantik aufkommen lässt. Das kommt an, obwohl die Lautstärke aus Lärmschutzgründen mal wieder extrem gedeckelt ist und somit eine gewisse Dynamik fehlt. Santos kommentiert diese Einschränkungen denn auch: „Ihr müsst einfach so laut sein, dass man euch trotz der Beschränkungen auf der anderen Rheinseite hört“, sagt er, und für einen Moment gelingt dieses Vorhaben sogar. An der ein oder anderen Stelle wäre etwas mehr Druck aus den Boxen sowie eine größere klangliche Fülle auf jeden Fall wünschenswert gewesen, unter anderem bei der neuen Single „Weekend Lover“, die bisher kaum live gespielt werden konnte. Dennoch ist das Publikum zufrieden, wenn nicht gar ekstatisch und feiert mit Nico Santos gute 100 Minuten lang einen entspannten, schönen Sommertag.

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