Iron Maiden: Epos mit Samurai und Höllenfürst

„Scream for me“: Dieser Aufforderung kann sich im RheinEnergie-Stadion niemand entziehen. Nicht an diesem Abend, nicht bei diesem Konzert. Wenn Bruce Dickinson sich ans Publikum wendet, antworten 38.000 Kehlen mit einem grölenden Schlachtruf, so wie es sich für Iron-Maiden-Fans eben gehört. Die britische Heavy-Metal-Band ist nach mehr als 40 Bühnenjahren schließlich auch kein bisschen leiser geworden. Ganz im Gegenteil: Bei ihrem Auftritt in Köln sind die Glorreichen Sieben (wenn man das Zombie-Maskottchen Eddie mitzählt) in Topform, vor Kraft strotzend und vor Energie vibrierend. Eine epische, perfekt orchestrierte Hymne nach der anderen dröhnt von der opulent ausgestatteten und mehrfach umgebauten Bühne, einen Bogen vom Titelsong des aktuellen Albums „Senjutsu“ bis hin zum Klassiker „Aces High“ schlagend. Also alles bestens. Na ja, fast alles.

Die Band brennt auf jeden Fall, genießt es, wieder live spielen zu können, vor ausgelassenen Menschen, die jede einzelne Note bejubeln und genüsslich die mehr oder weniger langen Mähnen schütteln. Dass manche Fans ebenso wie die Bandmitglieder selbst so langsam auf die 70 zugehen, merkt man kaum. Vor allem Bassist Steve Harris gibt alles, jagt wie ein Derwisch über die Saiten und treibt den Herzschlag von Iron Maiden, der von Drummer Nicko McBrain vorgegeben und von den drei Gitarristen Dave Murray, Adrian Smith und Janick Gers mit orgiastischen Soli ausgestaltet wird, kontinuierlich in die Höhe. Dort tobt sich dann auch Frontmann Dickinson aus, mit ausladenden Gesten und überragender Stimme, ein begnadeter Erzähler des Metal mit einer fantastischen Präsenz. Nur manchmal verirrt er sich, diesmal ausgerechnet bei dem beliebten „Fear Of The Dark“: Euphorisch schmettert er die Verse in Richtung Menge, ohne zu bemerken, dass er mit McBrain nicht synchron ist. Was für ein Glück, dass die Menge im Takt hüpfen kann und eine rhythmische Orientierung bietet, die Dickinson auch nutzt und so die Nummer zu einem befriedigendem Abschluss bringt. Für diese Hilfestellung revanchiert er sich direkt im Anschluss mit „Hallowed By Thy Name“, spielt meisterhaft auf der Klaviatur des Publikums und treibt dieses mühelos in die Ekstase. Was für eine Stimmung, die sogleich auf „The Number Of The Beast“ überschwappt.

Nicht überall in der Arena dominiert allerdings die Begeisterung. In manchen Ecken ist der Sound leider erneut gruselig, wenn auch immerhin besser als bei der Vorband Airborne. Dafür stimmt die Inszenierung: Mal taucht das Monster Eddie in Samurai-Rüstung vor entsprechender Kulisse auf und meuchelt sich durch ein paar Bandmitglieder, mal erhebt sich der bühnenfüllende Kopf eines Höllenfürsten, der sich auch in einer Geisterbahn gut machen würde, hinter Drummer McBrain. Und immer wieder setzt sich Dickinson in Szene, etwa bei dem pyrotechnisch aufgemotzten „Sign Of The Cross“, das zudem mit einigen starken Soli überzeugt. Bei „Flight Of Icarus“ verzettelt der Sänger sich allerdings, spielt selbstverliebt mit zwei Flammenwerfern und brennt sich so in Richtung Beliebigkeit. Schön choreographiert ist dagegen das Fecht-Duell zwischen ihm und Eddie bei „The Trooper“ samt augenzwinkernden Penäler-Humor, das bei den Fans erwartungsgemäß gut ankommt. Die sind ohnehin selig, nachdem das Konzert mit „Aces High“ zu Ende geht.

Letztlich zeigen Iron Maiden einmal mehr, warum sie zu Recht als Legenden gelten. Sie machen einfach mehr als Heavy Metal – sie inszenieren Epen zum Mitsingen, bildgewaltige, rhythmisch komplexe und erzählerisch eindrucksvolle Werke, die auch nach teilweise vier Jahrzehnten nichts von ihrer Faszination und ihrer musikalischen Wucht verloren haben. Das muss ihnen erst einmal eine Band nachmachen.

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