„Eyjafjallajökull Tam Tam“: Der Weg des Mobs

Sie sind wirklich überall: Auf der Bühne, im Zuschauerraum und auf verstreuten Podesten im Saal des Pantheons tummeln sich die Figuren aus Helmut Kraussers „Eyjafjallajökull Tam Tam“, beständig die Positionen wechselnd und das Publikum so zu schweigenden Akteuren einer bitterbösen Satire machend, die in der Wartehalle eines Flughafens spielt und kein Entkommen bietet. Ein ungewöhnliches Konzept, und dann auch noch von einer Schülertheater-Truppe – so etwas erlebt man nicht alle Tage. Zugegeben, das Schultheaterfestival „Spotlights“ der Theatergemeinde Bonn hat schon häufiger Produktionen präsentiert, die über das normale Maß hinausgehen und von einer beeindruckenden Leidenschaft aller Mitwirkenden zeugen; doch nach drei Corona-Jahren ist eine Leistung wie die der Q1 des Anno-Gymnasiums Siegburg in besonderer Weise überzeugend.

Kraussers Stück ist alles andere als leichte Kost: Eine unbekannte Katastrophe hat den gesamten europäischen Flugverkehr lahmgelegt, so dass zahlreiche Passagiere in der Wartehalle gestrandet sind und sich zuerst auf die Nerven und dann an die Gurgel gehen. Da ist diese schmierige Gestalt (Emil Höffinghoff), die alle Frauen (inklusive einer Nonne (Sarah Wolf)) anbaggert; der nihilistische weil todkranke Werbeclip-Regisseur (Simon Schulte), der unerwartet auf seine geladene Ex-Frau (Emma Fischer) und den gemeinsamen Sohn trifft; die Misanthropin (Shana Jost) mit einem Hass auf all das „Gesocks“ und ausgeprägten Gewaltfantasien gegen alles und jeden; oder auch der Autor (starke Leistung von Janosch Vomberg), der in regelmäßigen Abständen an seinem Flachmann nippt und mit seinem philosophischen Geschwätz die anderen Wartenden zur Weißglut bringt. Von Behörden und Flughafen-Mitarbeitern im Dunkeln gelassen sprießen die Verschwörungstheorien nur so aus dem Boden, vermischen sich mit ohnehin schon angestauter Wut und entladen sich in immer heftigeren Konflikten, die im besten Fall verbal ausgefochten werden und im schlimmsten Fall mit einem Mord enden. Dazwischen wird diskutiert und polemisiert, Gott geleugnet und gegen Gutmenschen gewütet, ein Cello zerstört und ein Aufstand angezettelt.

„Eyjafjallajökull Tam Tam“ ist eines von insgesamt vier Theater- und zwei Tanz-Produktionen, die sich in diesem Jahr für das Theaterfestival angemeldet haben und dabei um den „Bonner Kobold“ kämpfen (die für heute Nachmittag geplante Vorstellung der beiden Aischylos-Stücke „Die Frösche“ und „Lysistrata“ muss wegen Krankheiten entfallen). Das Rhein-Sieg-Gymnasium begeisterte derweil im Schauspielhaus Bad Godesberg mit dem gigantischen Musical „Theater des Grauens“, das Ernst-Kalkuhl-Gymnasium widmet sich der schwarzen Komödie „Muxmäuschenstill“ und das Kardinal-Frings-Gymnasium mit einer literarisch-satirischen Collage. Außerdem stellt die Junior-Dance-Company Bonn im Theater im Ballsaal noch die beiden Choreographien „Chaindance“ und „Andando“ vor, und beim Abschluss des Festivals werden Auszüge aus dem Musical „How I Met Your Grandpa“ des Rhein-Sieg-Gymnasiums gezeigt.

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