Eigentlich hätte Patti Smith am Rhein auftreten sollen. Unter freiem Himmel wäre die Punk-Schamanin wie schon vor zehn Jahren bei ihrem KunstRasen-Auftritt sicherlich so richtig aufgeblüht – doch das hat der BUND zu verhindern gewusst. Die Umweltorganisation hatte per Eilantrag erfolgreich gegen die seit drei Jahren geplanten Konzerte auf der Insel Grafenwerth geklagt, da die Schutzbedürftigkeit der Natur nicht gewahrt sei, und so blieb Veranstalter Ernst-Ludwig Hartz nichts anderes übrig, als innerhalb weniger Tage mehrere Ersatzspielstätten zu finden. So spielte Patti Smith also kurzfristig im Kölner Palladium, in dem die rohe Energie der 75-Jährigen eine etwas düstere Färbung erhielt. Was nicht schlimm war, nur eben anders. Und nichtsdestotrotz fantastisch.
Es scheint derzeit schwer vorstellbar, dass Patti Smith irgendwann mal ein schlechtes Konzert spielen könnte. Ihre Vitalität, ihre Kraft und ihre Leidenschaft für die Musik haben der „Godmother
of Punk“ schon Mitte der 70er einen Sonderstatus beschert, und mit den Jahren ist sie nicht nur deutlich rauer, sondern auch sehr viel intensiver geworden. Schon der Opener „The Wicked
Messenger“, im Original von Bob Dylan, wurde bei Smith zu einer Art Urschrei gegen all die Ungerechtigkeiten in der Welt, und am Ende des Konzerts sollte „People have the Power“ die dazugehörige
Antwort sein. Dazwischen jedoch zeigte sich Smith beinahe gelöst. Sie liebe diesen Ort, sagte sie irgendwann mit Blick auf das Palladium, aber das galt auch für die Insel Grafenwerth, auf der sie
am Sonntag den Beethovenpreis in Empfang nehmen durfte, wenn auch coronabedingt mit zwei Jahren Verspätung. Eine Ehre sei das für sie gewesen, schließlich hätten sie und ihr verstorbener Mann
Fred „Sonic“ Smith die Musik des großen Komponisten ebenso aufgesogen wie die von Jimi Hendrix und von John Coltrane.
In ihrem Programm tauchten diese drei Namen allerdings nicht auf. Stattdessen widmete sie sich – neben Dylan – Ikonen wie Neil Young („After the Gold Rush“) und Led Zeppelin („Since I've Been
Loving You“), Lou Reed („Walk On The Wild Side“) und den Rolling Stones („I'm Free“), deren Titel sie genüsslich mit ihren eigenen Songs mischte. Natürlich erklang „Dancing Barefoot“, und
natürlich tanzte Patti Smith dazu, und das so leichtfüßig, dass man ihr das Alter nicht anmerkte. Natürlich beschwor sie auch den Ghost Dance“, natürlich schmetterte sie „Pissing In The River“ –
und natürlich lieferte sie „Because The Night“ ab, ihren mit Abstand größten Hit, der vom begeisterten Publikum entsprechend gefeiert wurde. Jegliches Bedauern angesichts der Verlegung des
Konzerts war zu diesem Zeitpunkt längst vergangen, dafür war der Sound zu gut und Patti Smith zu elektrisierend, und auch die Tatsache, dass das Konzert nicht – wie ursprünglich geplant –
bestuhlt stattfand, war keinesfalls ein Nachteil. Bei dieser Musik, mal hypnotisch, mal psychedelisch, mal punkig und mal folkig, konnte man ohnehin nicht stillsitzen. Wollte auch keiner.
Angesichts dieses Erlebnisses kann Veranstalter Ernst-Ludwig Hartz erst einmal aufatmen. Einen Tag zuvor hatte er schon das Konzert von Andreas Vollenweider ins Bonner Brückenforum gerettet, auch
das eine Notlösung, aber eine, die funktionierte.Die Juli-Konzerte von Zaz und Nick Mason werden ebenso verlegt.
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