Andreas Vollenweider: Der Ort spielt keine Rolle

Der BUND hat sein Ziel erreicht: Mit mehreren zelotischen Klagen in letzter Sekunde hat die Naturschutz-Organisation die Konzerte auf der Insel Grafenwerth verhindert und Veranstalter Ernst-Ludwig Hartz zum Umplanen gezwungen. Dieser hat den Auftritt von Harfen-Legende Andreas Vollenweider kurzerhand ins Brückenforum verlegt – eine Notlösung, die vor allem bei jenen Gästen für Unmut sorgte, die ihre ursprünglich gebuchten Plätze wegen der verkürzten Reihen nicht mehr sicher hatten. Vollenweider dagegen nahm die neuen Bedingungen mit Humor: „Unsere Aufgabe ist es, das Publikum mit unserer Musik so zu verzaubern, dass sie alles um sich herum vergessen“, sagte er zu Beginn des Konzerts. Was ihm und seinen Freunden auf der Bühne denn auch mühelos gelingt.

Tatsächlich brauchte es nur ein paar perlende Töne, bis der dunkle Saal und die engen Reihen verblassten und an ihrer statt ein märchenhaftes Arkadien erblühte. Genüsslich schaffen Vollenweider und seine Bandkollegen ein idealisiertes Reich voller Wohlklang, in dem alles miteinander harmoniert, zumindest musikalisch. Mal webt der 68-Jährige griechische Ansätze ein, dann wieder asiatische, mal bedient er sich beim Flamenco, dann wieder beim Tango, ohne sich dadurch einzuschränken. Allerdings: Stets bleibt die Musik für europäische Ohren gefällig, will entspannen und nicht herausfordern, verzichtet auf Reibungen und Kontraste und auf Ecken und Kanten. Das Kopfkino erstrahlt in Pastellfarben, während Cello, Bratsche, Saxofon, Keyboards und die Harfe Vollenweiders tief in die Farbtöpfe eintauchen und das Publikum immer wieder zum Staunen bringen. Gleichzeitig versteht es Vollenweider es meisterhaft, immer wieder neue Akzente zu setzen und jedem Stück eine individuelle Note mit einer ganz eigenen Farbpalette zu verleihen.

Für Vollenweider, den charmanten Träumer und konsequenten Optimisten, ist es ein besonderes Konzert, das erste seit zwölf Jahren, zumindest in Deutschland. Die Zeit hat er unter anderem genutzt, um einen Roman zu schreiben und diesen als Inspirationsquelle für ein neues Album zu nutzen, das beim ursprünglich geplanten Konzert vor der Pandemie sicherlich im Mittelpunkt des Konzerts gestanden hätte. Jetzt allerdings kombiniert Vollenweider das Material von „Quiet Places“ mit Schätzen aus seiner inzwischen 40-jährigen Geschichte als Musiker. Vor allem „Pilgrim“, bei dem der Harfenist sich auch als exzellenter Sänger mit warmem Timbre erweist, ist eine Hymne für den „Pfad der Liebe“, aber auch „Behind The Gardens, Behind The Wall, Under The Tree“ begeistert. Letzteres sei der „Anfang vom Anfang“ gewesen, betont Vollenweider – mit dieser Komposition habe er begriffen, dass die Harfe für ihn das richtige Instrument sei, eines, mit dem er grooven und pulsieren könne und das gleichzeitig ihren vollen Klang nicht verliere.

Apropos voller Klang: Den liefert auch die Band ab, die dank exzellenter Arrangements mühelos ein komplettes Orchester ersetzt. Walter Keiser, Schlagzeuger der ersten Stunde, sorgt für ein solides Fundament, Cellistin Isabel Gehweiler für herrliche Schattierungen und Bratscher Sorin Spasinovici für feine Akzente. Dazu gesellt sich mit Daniel Küffer ein Multiinstrumentalist mit einem immensen Repertoire an Klangfarben, der Vollenweiders elegantes Spiel ergänzt und erweitert. Das Publikum ist dementsprechend euphorisiert und so verzaubert, wie Vollenweider es zu Beginn des Konzerts versprochen hat. Die Musik hat den dunklen Saal geöffnet und ihn transformiert, und so überrascht es auch nicht, dass die Menge nach mehr verlangt und sich noch ein paar Zugaben erklatscht, bevor es beseelt nach Hause geht. Besser hätte es auch auf Grafenwerth kaum laufen können.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0