Florian Paul: Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt

Zwei Seelen schlagen, ach, in seiner Brust: Florian Paul, der mit seiner Kapelle der letzten Hoffnung und einer neuen Platte im Gepäck erneut im Pantheon zu Gast ist, ist zumindest aus künstlerischer Sicht zerrissen. Auf der einen Seite ist er ein Melancholiker, der die dunklen Farben des Lebens mitternachtsblau strahlen lässt, indem er Strophen zwischen Hoffen und Bangen mit bittersüß-rauchigen Noten versieht; und auf der anderen Seite ist er ein Liebender, einer, der das Sein all seinen Facetten auskosten will, der gegen Mutlosigkeit aufbegehrt und stattdessen mit verklärtem Blick auf den Sonnenaufgang wartet.

Beides nimmt man dem 26-Jährigen ab, der doch so viel reifer klingt und der mit seiner leicht angerauten Stimme im Spannungsfeld zwischen Rio Reiser, Marius Müller Westernhagen und Sven Regener immer wieder für einen wohligen Schauer sorgt. So viel Charisma, so viel Leidenschaft, so viel Intensität wie Florian Paul besitzt derzeit kein anderer Newcomer, vielleicht abgesehen von Max Prosa. Und keiner ist musikalisch wandlungsfähiger als der Münchener, der sein Publikum mitnimmt auf eine emotionale Achterbahnfahrt, die unter die Haut geht.

Im Vergleich zum letzten Bonn-Besuch scheinen Florian Paul und seine Band noch etwas mutiger geworden zu sein, noch jazziger, noch komplexer. Vor allem die rhythmischen Brüche und Verschiebungen, die immer wieder ein endgültiges Versinken in der Musik verhindern, haben zugenommen. Sie müssen sich nun einmal dem Text unterordnen, und wenn der eben einmal eine Zeile mehr hat als sonst, muss sich das Arrangement daran anpassen. Mitunter führt der Aufbau ins Leere, so wie bei „Auf Sand gebaut“, dem Titelstück des neuen Albums, doch meistens trägt der Ansatz Früchte, etwa beim euphorischen „Bella Maria“ oder dem verzweifelt nach einem Rausch verlangenden „Zeitgeist“. Wenn dann noch Saxofonist Nils Wrasse oder Pianist Giuliano Loli ein gejazztes Intermezzo ausspielen oder Drummer Flurin Mück zusammen mit Bassistin Susi Lotter einen fetzig-swingenden Groove unterlegen und das Publikum lostanzt, ist alles gut – und dann kommt der Wechsel, das Nachdenken, die Aufmerksamkeit auf gewisse Zeilen, und auf einmal weiß man die Ekstase erst richtig zu würdigen.

Bevor allerdings diese Songs erklingen, geht es abwärts. Die erste Konzerthälfte widmet Paul den Nachtstücken, den traurigen Balladen und den schwermütigen Reflexionen. „Wir sind unendlich müde von dieser entzauberten Welt“, singt er irgendwann am Tiefpunkt, nur um sich dann wieder aufzuraffen, auf die Liebe zu trinken und die Hoffnung auf Besserung neu zu entfachen, so wie das nur Musik vermag. Das ist das größte Geschenk, das Florian Paul und seine Kapelle dem Publikum machen können. Danke.

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