Carrington-Brown: Kitsch, Klischees und hohe Kunst

Puccinis „Turandot“ mit einer Cellistin und einem Bariton? Klingt nach einer scheinbar unmöglichen Aufgabe, ist für Carrie Puddleton (Rebecca Carrington) und Laurence Longstaff (Colin Brown) aber lediglich die Aufwärmphase. Die beiden britischen Musiker, die als einzige Mitglieder der fiktiven Royal Imperial Victorian Opera Company, die es auf den Kontinent geschafft haben – alle anderen stecken im Zoll fest. Brexit eben. Und Bürokratie. Eine überaus problematische Mischung.

Auf jeden Fall sind nur die beiden an diesem Abend im Pantheon, die Cellistin und der Bariton. Dennoch sollen sie auf ausdrücklichen Wunsch der (ebenfalls fiktiven) Theaterleitung „Turandot“ aufführen. Vertrag ist schließlich Vertrag. Also gibt das Duo sein Bestes, was für knappe 15 Minuten reicht. Danach ist die Lesefassung beendet, was ein weiterer Beweis dafür ist, dass Opern größtenteils aus Wiederholungen und Redundanzen bestehen. Die Frage ist jetzt: Was nun? Eine improvisierte Operette ist die Lösung, „Turnadot“, leichte Unterhaltung über ein schweres Thema (den Brexit natürlich), mit typisch britischem Humor, allerlei Ideen-Fragmenten, jeder Menge Musik – und vielen Klischees.

Wer an dieser Stelle eine scharfe Analyse der Brexit-Entscheidung erwartet, dürfte enttäuscht werden: Auch der Ausstieg aus der EU in „Turandot“-Form ist lediglich vorgeschoben und wird von Carrington-Brown nur notdürftig mit der Handlung der Puccini-Oper verknüpft, um zu einer musikalischen Weltreise aufbrechen zu dürfen. In Paris verliert sich Rebecca Carrington im „Je t'aime“, während Colin Brown eine fantastische Louis :Armstrong-Parodie gelingt; in Deutschland greift sie zur „Hurtz“-Persiflage samt schräger Elemente der Neuen Musik, während er sich Max Raabe annähert; und in Indien, Mexiko, Japan, der Türkei und Israel kramen die beiden erst so richtig tief in der Kiste mit den musikalischen Vorurteilen. Gnadenlos schneiden sie Themen aus jenen Nationen zu einem monströsen Medley zusammen, das inhaltlich nun wirklich gar keinen Sinn macht. Musikalisch dagegen schon, nicht zuletzt weil Carrington-Brown exzellente Sänger sind und erstere auch noch eine brillante Cellistin. Letzterer kann nur mit einem Dudelsack antworten, der aber spätestens bei der deutschen Nationalhymne an seine Grenzen gerät. Egal. Man muss ja nicht immer alles so ernst nehmen, weder die Kunst noch den Brexit. Hauptsache, die Optik stimmt. Das Publikum ist auf jeden Fall begeistert und feiert Carrington-Brown für einen fulminanten Abend.

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