So soll also die Zukunft klingen: Synthpop-Sounds über groovenden Drums, oft vertrackt, gerne auch improvisiert – und immer wieder kollabierend, so als würde ein Schwarzes Loch sämtliche Strukturen zerreißen, bis die Vorstellungen von Harmonie, Rhythmus und Klang keine Gültigkeit mehr haben. Was bleibt, sind Geräusche, und selbst die halten an diesem seltsamen Ort in dieser seltsamen Zeit nicht lange vor. Zum Glück finden Liun and the Science Fiction Band, die jetzt im Rahmen des Jazzfests im Pantheon spielten, immer wieder den Weg zurück in das normale Universum, in dem Musik nicht nur ein Rauschen ist, sondern eine Ansammlung von Soundflächen und wummernden Bässen, von Melodien und Samples, von eigenwilligen Beats und flirrenden Motiven – und dem klaren, kühlen Gesang von Lucia Cadotsch.
Es ist schon ein ungewöhnliches Programm, das an diesem Abend in Beuel zu hören ist. Avantgardistische, futuristische Musik wabert durch den Saal, komplex, vielschichtig, sich aneinander reibend
und dennoch meistens in die selbe Richtung treibend. Ist das noch Jazz? Wer kann das schon sagen. Cadotsch selbst spricht gerne von „Progressive Groove Music“, versteht sich aber dennoch als
Jazz-Musikerin, so wie der Multi-Instrumentalist Wanja Slavin, die andere treibende Kraft hinter der Science Fiction Band. Gemeinsam haben sie das Klangkonzept entwickelt, das Hip Hop und R'n'B
ebenso als Referenz beinhaltet wie die Filmmusik von Ennio Morricone und den Free Jazz eines Ornette Coleman. Leichte Kost ist das nicht, was mit ein Grund sein dürfte, weshalb ausgerechnet
dieses Konzert noch nicht einmal ansatzweise ausverkauft ist. Zu Unrecht. Denn auch wenn Liun and the Science Fiction Band mitunter anstrengend wirkt, ist ihr Ansatz doch auf jeden Fall
faszinierend und in kleinen Dosen sogar inspirierend, was nicht jede Musik von sich behaupten kann.
Ähnlich sieht es bei Frederik Köster (Trompete) und Rainer Böhm (Piano) aus, die den ersten Teil des Abends gestalten und damit das Ambrose-Akinmusire-Quartett ersetzen. Sie sind von Science
Fiction weit entfernt, sind eher in der Gegenwart verhaftet, mit ihrer Musik über Gott und die Welt redend. Dabei harmonieren Köster und Böhm so gut, dass es eine Freude ist, werfen sich
geschickt die Bälle zu und tauchen immer wieder in ausgedehnte Soli ein, die bei aller Spielfreude nur selten ausarten. Dabei bringt Köster seine Leidenschaft für Literatur in die Dialoge ein,
lässt sich bei seinen Stücken mal von Hermann Hesse und mal von Emily Dickinson inspirieren und scheut sich auch nicht, mal zum Mikrofon zu greifen und zu singen. Wenn das die Musik der Zukunft
sein sollte, kann man sich freuen.
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