Im weitesten Sinne ist Jazz ja offen für alles. Zum Glück, würde man doch bei dem Versuch, die Jazzfest-Konzerte von Andrea Motis und Oliver Leichts Formation [acht.] mit engen Definitionen zu beschreiben, schnell an seine Grenzen stoßen. Die Musik der beiden Bandleader, die am vergangenen Sonntag im Pantheon auftraten, verweigert sich klaren Einordnung, ist irgendwo dazwischen und mit allem vernetzt, baut Bigband-Sounds ebenso ein wie Orchestrales, Rock, Pop, Latin und zeitgenössische Klassik und verschränkt Sounds ebenso gerne wie Rhythmen und Harmonien. Bestechender als all diese Gemeinsamkeiten waren allerdings die Unterschiede – und die Energie im Saal.
Sowohl Andrea Motis als auch Oliver Leicht lieben das Spiel mit den Klangfarben und unkonventionellen Instrumentierungen. Eine Formation, in der Geige und Trompete gleichberechtigt nebeneinander
stehen, ist schließlich ebenso ungewöhnlich wie ein Ensemble, in dem unter anderem auch Altklarinette, Cello, Euphonium und Tuba ihren Platz finden. Doch erstaunlicherweise ist es die fünfköpfige
Band um die junge Spanierin, die über die meiste Kraft verfügt, auch, weil ihre Musik weniger das Ergebnis eines intellektuellen Experiments in Kompositionsfragen ist als vielmehr die Lust an
eigenwilligen Schichtungen, die in einem Jazzclub ebenso wenig fehl am Platze wären wie in einer Disco. Zumindest manchmal, wenn Motis nicht zu weit abschweift, so wie bei „Heat“, einer schrägen
Nummer mit leicht aneinander vorbeischrammelnden Geigen- und Trompetentönen, die sich irgendwann doch auf eine gemeinsame Linie einigen. Faszinierend, aber auch ein bisschen gewöhnungsbedürftig,
im Gegensatz zu „El Pescador“, einem an die Cumbia angelehnten Stück, bei dem der starke Gesang von Motis auf einen fetten Orchestersound trifft und auf ein euphorisch mitsingendes Publikum, das
die 27-Jährige ekstatisch feiert.
Gegen diese Euphorie kommen Oliver Leicht und seine acht Bandkollegen nicht an, insbesondere da ihr Ansatz ein völlig anderer ist. Statt sattem Bläsersound erklingt oft nur ein minimalistischer
Dialog zweier Instrumente, während die anderen (darunter auch die beiden Kölner Norbert Scholly (Gitarre) und Jens Düppe (Schlagzeug)) mitunter minutenlang auf ihren Einsatz warten, um die Musik
schließlich zumindest tonal in eine neue Richtung zu lenken. Beinahe schon filigrane Schattierungen wechseln sich mit freien, aber auch verkopften Assoziationen ab, und dazwischen türmen sich für
ein paar Takte komplexe Orchestrationen auf, die schnell wieder in sich zusammenfallen. Anspruchsvoll ist diese Musik zweifelsfrei, anstrengend auch – und gerade deshalb nicht so zugänglich wie
das feurige Spiel von Andrea Motis, auch wenn die Qualität durchaus vergleichbar ist. Das Publikum zeigte sich auf jeden Fall von beiden Formationen begeistert.
Kommentar schreiben