„WunderBar“: Trink doch eine mit

Es ist Happy Hour in der „WunderBar“. Jetzt darf getrunken und gefeiert werden, was das Zeug hält, zumindest noch dieses eine Mal. Immerhin sollen bereits am nächsten Tag die Bagger rollen, weil irgendein asiatischer Großinvestor kurzerhand das ganze Viertel aufgekauft hat und etwas Neues bauen will. Was auch immer. Auf jeden Fall keine Kneipe. Schon gar nicht so eine wie die „WunderBar“, die das Zuhause von Exzentrikern und Chaoten, Alt-Hippies und sonstigen schrägen Gestalten ist. Also ist jetzt die letzte Schicht, natürlich mit den üblichen Verdächtigen, unter anderem den trinkfesten Getränkeboten, der scheinbar resoluten und doch sehr poetischen Trapez-Künstlerin und der skurrilen Französin Ava, die sich selbst über alle Maßen schätzt und dabei von einem Fettnäpfchen ins nächste stolpert. Ein eigenwilliges und vor allem einzigartiges Ensemble, das mit ihrer „WunderBar“ jetzt die Bühne des Bonner GOP übernommen hat.

Begegnungen von allerlei seltsamen Charakteren sind seit jeher ein beliebtes Mittel der GOP-Varietéshows, ob diese nun im „Grand Hotel“ stattfinden, auf dem Campingplatz oder in einem Buchladen. Jetzt also eine Bar, natürlich stilecht mit einem charmanten Kellner und einer überaus gesprächigen (und stimmgewaltigen) Besitzerin, die den Artisten auf diese Weise eine grobe Rahmenhandlung vorgibt. Diese Rolle hat sich Regisseurin Ruth von Chelius, die die Show zusammen mit Detlef Winterberg erdacht hat, gewissermaßen selbst auf den Leib geschrieben und nimmt mit ihren Geschichten und Liedern immer wieder die Spannung zurück – in Kombination mit der immer wieder auftauchenden Ava mitunter allerdings mehr, als der Show gut tut. Andererseits sind die Akrobaten des Ensembles so stark, dass sie auch diese Ruhephasen mühelos in ihr Gegenteil verkehren können. Und das will schon etwas heißen.

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Tatsächlich hat die GOP-Produktionsfirma „Showconcept“, die ohnehin immer wieder ein Gespür für herausragende Talente bewiesen hat, für „WunderBar“ aus dem Vollen geschöpft und einige Künstlerinnen und Künstler verpflichtet, die mit einmaligen Nummern nicht nur glänzen, sondern strahlen. Dazu zählen die fantastische Hula-Hoop-Choreographie von Vivian Spiral, die auf viele der sonst üblichen Figuren verzichtet und stattdessen beeindruckende neue Bilder kreiert, sowie der Magier Winston Fuenmayor, dessen Figur eines von Nikotin- und Spielsucht gezeichneten Gefallenen, der sich immer wieder seiner Dämonen erwehren muss, erfreulich vielschichtig ist; kein Wunder, dass der Venezolaner damit erst kürzlich bei einer Magier-Meisterschaft in Brasilien abräumte und damit sein Ticket für die Weltmeisterschaft in Kanada löste. Ebenfalls stark ist Rollschuh-Jongleur TJ Wheels, dem offensichtlich eine Kunstform allein nicht ausreicht und der in puncto Koordination wahrhaft Unglaubliches leistet, sich mit seiner charmanten Art aber auch als exzellenter Entertainer und inoffizieller Co-Moderator erweist.

Den Höhepunkt des Abends gestaltet allerdings die Berlinerin Annika Hemmerling, die als kleinwüchsiger Monsieur Flap herrlich komisch und als Trapez-Artistin wunderbar poetisch ist. Schon allein die Art, wie sie ihr Alter Ego zum Leben erweckt, ist brillant – mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Das muss man selber sehen. Gleiches gilt für die beiden Ikarier Alex und Vlad, die zuletzt schon bei „Bookshop“ mitgewirkt haben, sowie den Handstand-Akrobaten Mukhamadi Sharifzoda, der am Ende der Show noch eine kleine, aber wichtige Rolle spielen wird und dafür sorgt, dass die Happy Hour noch ein bisschen verlängert wird.

„WunderBar“ ist noch bis zum 3. Juli 2022 jeweils Mittwochs bis Sonntags im GOP Bonn zu sehen. Tickets erhalten Sie bei allen bekannten Vorverkaufsstellen. Weitere Informationen unter www.variete.de/bonn.

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