Bab L'Bluz: Rock auf drei Saiten

Marokkanischer Rock, so scheint es, ist bescheiden. Drei Saiten, mehr braucht es nicht, um es krachen zu lassen, drei Saiten und einen hypnotischen, gleichzeitig aber komplexen Beat. Dann jault die Gimbri, die Binnenspieß-laute aus dem Maghreb, in den Händen von Brice Bottin auf, während der Franzose, die Zunge zwischen die Zähne geklemmt und den Oberkörper in typischer Gitarristen-Pose nach hinten gebogen, in ein exzessives Solo einsteigt und einen fremdartigen, eigenwilligen Klangteppich erschafft.

Hier, im Spannungsfeld zwischen Rock, afrikanischem Blues und der Musik der Gnawa (einer ethnischen Minderheit Marokkos), setzt die Band Bab L'Bluz an, die im Rahmen des „Over the Border“- Weltmusikfestivals in die Harmonie gekommen ist. Es ist Musik, die für westliche Ohren ungewohnt klingt, mit arabischen Phrasierungen und Rhythmen jenseits des so beliebten Viervierteltakts – aber wer sich ein bisschen hineinhört, dem öffnen sich neue Sphären.

Das Publikum ist auf jeden Fall begeistert, von den Gimbri-Soli ebenso wie von dem melismatischen Gesang von Frontfrau Yousra Mansour, die so ganz nebenbei auch noch die Awicha spielt, die höher gestimmte kleinere Schwester der Gimbri. Dazu gesellen sich feine Flötentöne von Jérôme Bartholomé, der ansonsten auch gerne perkussiv unterwegs ist, sowie die treibenden Rhythmen von Drummer Hafid Zouaoui. „Wir verstehen uns als erweitertes Powertrio im Geiste der Bands von Jimi Hendrix“, hat Mansour einmal in einem Interview gesagt. „Die Grundenergie heißt Rock, aber dann kommen Zutaten aus den marokkanischen Provinzen, aus der Gnawa- und Berbermusik, aus der Poesie der Hassania in Mauretanien dazu.“ Die beiden Lauten, die Gimbri und die Awicha, übernehmen dabei die Funktion von E-Bass und E-Gitarre, klingen aber weitaus ruppiger, kantiger, trockener. Und irgendwie selbstbewusster. Immerhin ist es auch heutzutage nicht immer leicht, in Marokko eine derart revolutionäre, Grenzen überschreitende Musik zu machen, erst recht nicht als Frau. Kein Wunder also, dass Mansour gerade dieses Thema im Verlauf des Abends mehrfach anschneidet. Einer ihrer Songs geht sogar explizit auf die Tebraa-Poesie mauretanischer Frauen zurück, die in einer sehr konservativen Gesellschaft ihre eigene Liebeslyrik entwickelt haben. Und ja, bei Bab L'Bluz kann selbst so ein Thema rocken. Egal mit wie vielen Saiten.

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