ie Harmonie steht Kopf. Gerade stimmt ein kapverdischer Multiinstrumentalist mit einer portugiesischen Straßenmusikerin, einer Bonnerin mit rumänischen Wurzeln und einer Sängerin aus Angola eine Hymne an, die von Einheit und Frieden kündet, von der Überwindung von Hunger und Leid und von einer Welt, die alle Menschen ein- und nicht andere ausschließt. Und die Menge im Saal macht begeistert mit, wohl wissend, dass ist eine derartige Vielfalt auf der Bühne keineswegs selbstverständlich ist, erst recht nicht in Corona-Zeiten. Doch Konzertveranstalter Manuel Banha hat es mal wieder hinbekommen. Sein „Over the Border“-Weltmusikfestival ist der Beweis dafür, dass weder Grenzen noch Viren die Menschen dauerhaft daran hindern können, zusammenzukommen, zusammenzustehen und zusammen zu singen. Über drei Wochen hinweg werden Künstlerinnen und Künstler aus 22 Nationen in der Harmonie, dem Pantheon und dem Telekom Forum (sowie einmal im Café Hahn in Koblenz) auftreten. Jetzt haben die Local Ambassadors den Veranstaltungsreigen eröffnet.
Das Musikerkollektiv um den Fanta4-Perkussionisten Roland Peil bildet einen Mikrokosmos des gesamten Festivals: bunt, brillant und ein bisschen verrückt. Dabei hat sich die Besetzung im Vergleich
zu den Vorjahren drastisch verändert. Nur Peil und Gitarrist Vince Themba stehen schon zum wiederholten Male als musikalische Botschafter auf der Bühne, alle anderen mussten sich erst finden.
Insofern war es ein Glücksgriff, Marcus Schinkel mit ins Boot zu holen; der Tasten-Virtuose ist schließlich nicht nur in allen Stilen von Klassik bis Rock und Jazz zu Hause, sondern auch stets
neugierig auf andere Kulturen. Außerdem bringt das Voyager-IV-Mastermind mit Drummer Wim de Vrijs uns Sänger Johannes Kuchta gleich zwei weitere Musiker aus seiner Band und noch einige andere aus
seinem Dunstkreis mit. So hat etwa Astatine Schinkels verjazzten Beethoven-Ohrwurm „Für Elise“ mit einem rumänischen Text versehen, während Bröselmaschine-Sängerin Stella Tonon unter anderem eine
Tarantella im Repertoire hatte und sich ausgesprochen feurig präsentierte. Auch Saman Haddad, einer der Köpfe hinter dem Kultürklüngel Orkestar, ist mit seinem Golden-Kebab-Trio mit von der
Partie, und weil er darauf gerade Lust hat, singt der Iraker kurzerhand zwei griechische Lieder voller Lebensfreude. Hoppa! Das ist „Over the Border“ in Reinform.
Zu den Lokalmatadoren aus Bonn und Köln stoßen ein paar Künstlerinnen und Künstler, die eine etwas längere Anreise hinter sich haben. Die Portugiesin Estrela Gomes war dabei besonders genügsam
und ist kurzerhand mit ihrem eigenen Kleinbus gekommen, um zwischendurch noch ein paar Straßenkonzerte zu spielen und um mit ihrer fantastischen Stimme zu bezaubern, die ein bisschen nach Zaz
klingt und ein bisschen nach Amy Winehouse. Für sie stellt das Konzert ein wichtiges Debüt dar, tritt sie doch erstmals mit einer Band auf. Hätte man nicht gemerkt, wenn sie es nicht gesagt
hätte. Umwerfend auch Lucia de Carvalho, deren ungeheure Energie innerhalb von Sekunden den gesamten Club erfüllt und deren afro-brasilianische Grooves wirklich jeden zum Tanzen bringen. Und dann
wäre da noch Miroca Paris, ein musikalisches Alphatier mit einem nicht unerheblichen Renommee (unter anderem tourte er mit Cesaria Evora und Und all Madonna), der ohne mit der Wimper zu zucken
das Kommando übernimmt und sämtliche Mitglieder der Local Ambassadors in seine Hymnen einbindet. Womit sich der Kreis zu dem Friedenslied schließt. All das ist „Over the Border“. Beer geht’s
nicht.
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